Im Reisebus von Freiburg nach Shanghai – auf der Seidenstraße um die halbe Welt
11Jul/10Off

Dominique Ortner: Angekommen bin ich nicht wirklich…

Einige Teilnehmer der Reise  rasen durch Zentralasien in Richtung Teheran, andere sitzen/schlafen im Zug irgendwo zwischen Irkutsk und Moskau. Aber der größte Teil der Mitreisenden ist  wieder in Europa gelandet. So wie ich seit ein paar Tagen. Angekommen bin ich trotzdem lange noch nicht. Der Koffer ist ausgepackt, der Inhalt gewaschen und  aufgeräumt, die "Erinnerungsstücke", wie Stadpläne, Eintrittskarten, Belege jegliche Art sogar nach Orten sortiert, und doch hier und da bin ich nicht. Heute z.B. war ich bei einer ganz fantastischen chinesischen Hochzeit mit viel Geschrei, Pauken und Trompeten. In der Siedlung zogen die Kerwa-Buam mit viel Lärm durch die Straßen. Aus der Traum!... Ich war im Garten eingeschlafen. Nein, angekommen bin ich nicht wirklich.

 Es kommen immer wieder Bilder hoch: Wie die Näherinnen von Turfan. Im Erdgeschoss eines großen Gebäudes im Bazar arbeiten die Näherinnen. Die "Kojen" sind ca. 2,50 m mal 3,50 m. Manchmal etwas größer. Drei Seiten sind voll behangen mit allen möglichen Stoffen, in allen Farben, seidig glänzend, mit Perlen und verschiedenen Ornamenten geschmückt, gemustert, einfarbig. Eine Pracht die den Atem raubt. Vorne hängen Borten, Passamenten in allen Größen und Art auch Volants, Perlen, Glasketten und allerlei Verzierungen. Die dritte Seite ist zum Gang offen und der Gang ist nicht gut beleuchtet. Da arbeiten die Näherinnen, 3, 4 bis 6 Frauen haben dort ihre Tische und nähen mit der Maschine, mit der Hand, schneidern, bügeln. Wenn der Platz nicht reicht, wird der Stoff am Boden geschnitten. Die fertigen Kleider hängen an den Wänden. Die Kundinnen suchen sich die Stoffe und die Verzierungen aus. Wollen sie ihr Kleid anprobieren, wird eine der Stoffbahnen auseinandergefaltet (sie hängen ja an der Decke) und dahinter ist die "Kabine".  Eine Frau, müde, schläft den Kopf auf den Armen. Dort gibt eine junge Frau Ihrem Kind die Brust. Drüben schläft ein Baby auf einen Stapel seidiger Stoffe. Dazwischen spielen Kinder. die Frauen lachen, machen Witze, essen, trinken Tee aus Ihren großen Kannen und nähen. Sie laden mich ein und machen einen Hocker frei von Stoffen, damit ich mit hinsetzen und zuschauen kann.

Ein Stockwerk höher sind Friseure und Friseusen am Werk. Jeder kann schauen und bewundern oder kritisieren, wie der/die die Nachbarin frisiert. Die Damen werden von Frauen frisiert und die Herren von Männern. Alles nebeneinander bzw. gegenüber. Gesichter werden massiert, geschminkt. Eine Braut mit weißem Rüschenkleid kommt mit perfektem Make up und hochgesteckte Frisur aus einem Friseursalon; mit ihr die Brautjungfer, die eine in rosa, die andere in blau bekleidet, alle mit Festfrisuren und toll geschminkt und laufen aufgeregt die Treppen herunter. Vermutlich wartet die Hochzeitgesellschaft unten.

Oder ein anderes Bild : In Jiayuguan spielen ältere Herrschaften so etwas wie Boccia. Damit ich gut sitze auf der Mauer, bieten mir die Herren ein großes Stück Pappe an. Ich soll meine Kleider nicht schmutzig machen. Es wird eifrig gefragt, wo ich herkomme, wo ich hinwill, was ich hier tue. Gott sei Dank reichen meine Kenntnisse der Sprache gerade noch für so etwas.

Oder die Tauben von Zhangye : In der Nähe einer buddhistischen Pagode hat man eine große Plastikwanne mit Wasser aufgestellt. Dort können die Vögel baden und trinken. Händler verkaufen kleine Tüten mit Mais und Getreidekörner und die Tauben sind so zahm, dass sie die Körner aus den Händen der zahlreichen kleinen Kinder fressen, zu deren größte Freude.

 Oder tagelang bei 30 Grad und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit die Landschaften und Städte im Dunst erleben, und den Eindruck haben, dass die Sonne sich wohl verabschiedet und Haut und Kleider nie mehr trocknen werden.

 Oder in Tchongqing, Stadt an den zwei Flüssen. 300 Tage Nebel im Jahr. Die Chinesen der anderen Gegenden witzeln und sagen," wenn die Sonne in Tchongqing scheint, dann bellen die Hunde": Beim Spazieren in der Altstadt scheint doch mal die Sonne. Zwei Frauen unterhalten sich und haben Hunde dabei. Die Hunde kläffen so laut, dass man seine eigene Stimme nicht mehr hört. Also stimmt der Spruch, wir haben es wirklich erlebt!

 Oder das winzige Teehaus in den Gärten des Präsidential-Palastes in Nanqing: so winzig und hübsch wie ein Puppenhäuschen. Dort serviert man uns den Tee nach allen Regeln der chinesischen Teezeremonie. Es  herrscht die größte Ruhe, obwohl in der gesamten Anlage die Besucher strömen und entsprechende Lautstärke herrscht.

 Oder die Hochhäuser von Shanghai, verschwommen im Regen, wo der "Flaschenöffner" (ca. 550m), das momentan weltweit höchste Hochhaus, in den Wolken verschwindet. Oder, oder, oder... es sind noch so viele Bilder die auftauchen, jetzt im Nachhinein, dass es nicht möglich scheint noch mehr zu beschreiben.

 Nein, angekommen bin ich überhaupt noch  nicht. Vielleicht irgendwann mal...

 Dominique Ortner (Duo Mei Ni Kè)

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6Jul/10Off

Inge Stagneth: Zurück durch China

Der nächste Tag bringt uns nach Xian. Es ist fast wie heimkommen. Das Hotelpersonal kennt uns auch noch. Wir sind bei Tag angekommen und Verena und ich bummeln durch den Bazar. Und hier sehe ich das Bild wieder, welches mir schon auf der Hinreise aufgefallen war. Dieses Mal nehme ich es zu einem kleinen Preis mit. Mittlerweile ist es dunkel geworden, die Lichter über den Bazar Ständen beleuchten die Waren. Ein guter Duft erinnert uns, dass wir hungrig sind und so sitzen wir in der Menge draußen und essen. Wir sind entspannt und froh. Zum Abschied betrachten wir die geliebten Drachen, die in großer Höhe im Licht schweben und stellen uns vor, wie es wäre, wenn wir mitfliegen könnten. Aber wir haben ja unseren roten, großen, geliebten Bus mit den glänzenden Felgen. Was brauchen wir noch Fliegen, ist das Fahren mit dem Bus so umweltfreundlich, bequem und unterhaltsam. Der Verbrauch auf 100 km beträgt im Schnitt 30,5 Liter, bestes Ergebnis: 17,5 Liter auf 250 Kilometer.

Vor dem Losfahren fotografiert Wolfram den Pandabären mit dem Manager des Hotels bis zum Lift Boy. Unterwegs dann Fotos mit Pandabär und Straßenkehrer, mit den Angestellten der Autobahnraststätte, einem Polizisten, die Dame im Tollhäuschen, LKW Fahrer und uns. Auf  unserem Weg nach Lanzhou essen wir heute eine Nudelsuppe im Bus, denn die Strecke ist enorm, die wir zu bewältigen haben. Außerdem wissen wir, dass wir am Abend im Hotel-Buffet essen werden. Im Bus ist es angenehm frisch und so spüren wir die Hitze nur, wenn wir kleine Pausen machen. Wir fahren weiter und auf Verenas Wunsch halten wir an der Rasthütte vom Hinweg, dort wo sie mit dem kleinen Mädchen so innig spielte. Sie möchte ihr ein Geschenk bringen. Hans-Peter hält genau vor der Bude und Heidy nimmt einen kleinen, rosaroten Teddybären mit, um diesen der Kleinen zu geben. Welch eine Freude beim kleinen Mädchen und Verena, als die beiden sich sehen! Die drei Bleistifte von Verena und der Teddybär lassen das Gesichtchen des Mädchens strahlen. Das Hotel finden unsere Fahrer sofort und ohne Schwierigkeiten.

6.00 Uhr Abfahrt. Tausend Kilometer stehen heute auf dem Programm. Wir sind alle sieben gut drauf und los geht’s. Turfan ist unser Ziel. Die Wüste Gobi ist unsere Kulisse. Ich bin gespannt, wie wir durch den Punkt Sternenschlucht kommen. Die Straße ist nicht gut zu fahren, viele Löcher und starke Unebenheiten bremsen oft den Bus. Kontinuierlich geht es bergauf. Die Steine sind schwarz, aber auch braun/beige, dass man meinen könnte, lauter Leoparden würden als Riesen hier schlafen. Durchsichtiges Blau und weiße Kumulus Wolken säumen das Ganze von oben ein. Unser Mittagessen bereiten wir uns im Bus zu. Hans-Peter hat noch einen italienischen Käse, wir schneiden Karotten, Tomaten, Knoblauch, Wurst, Gurken und servieren es schön angerichtet auf den Bistrotischen im Bus. Gestärkt geht es weiter. Gegen Nachmittag verändert sich die Umgebung in eine Märchenlandschaft. Die Sonne strahlt in jede Falte der kargen Felsen und lässt alles in einem weichen Ton erscheinen. Wir sind immer noch unterwegs, als die Sonne sich neigt. Eine Lichterscheinung hoch oben auf einem Berg zeigt silberne Kuppeln und einen Palast. Es ist fantastisch. Die Sonne geht als leuchtender Ball unter. Und punktgenau hält Wolfram den Bus vor den Flammenbergen an und wir sehen tatsächlich die Berge in Flammen. Großartig. Als wir uns wieder dem Bus zuwenden ist das Licht verschwunden und die Nacht beginnt. Der Lohn für die lange Fahrt. Ich möchte es nicht missen. Turfan liegt im Dunkel und das Hotel ist auch nicht besser als vor drei Wochen.

Heute kein Bus! Ruhetag! Bazar, Bazar! Verena und ich schlendern durch den Stoffbazar und nach eingehender Beratung und Betreuung von Verena entschließe ich mich, einen türkisfarbenen Stoff zu kaufen, aus dem ich mir gleich einen Rock, der nach einer Stunde fertig ist, nähen lasse. Verena hat in der Zwischenzeit wieder Kontakt zu einem hübschen Mädchen aufgenommen. Es übt an der Nähmaschine der Mutter mit einem Pappdeckel das Nähen. Wir sitzen hier mitten unter den Näherinnen und den Kundinnen, die fachliche Gespräche führen. Es ist, obwohl wir nichts verstehen, eine wunderbare Atmosphäre mit viel Lachen und Reden. Es geht sicher um Frauenthemen. Wir baden sozusagen in der Menge. Im Hotel begrüßen uns Hans-Peter, Wolfram und Joe. Hans-Peter sagt, dass es Neuigkeiten gibt. Ich denke erst, Stefan sei Vater geworden, oder der Bus wäre defekt. Aber nein: Die kasachische Grenze ist am Montag und Dienstag geschlossen, weil die Regierung vor wenigen Tagen zwei Feiertage eingeführt hat. Das heißt, dass wir am Montag nicht über die chinesische Grenze kommen, sondern erst am Mittwoch. Dass Hans-Peter seinen Flieger nicht bekommt und dass unsere Fahrerlaubnis in China am Montag ausläuft. Uff!!!!

Wir werden an Sairam-See und in Korgas der Grenzstadt Zwischenübernachtungen einlegen. Hans-Peter wird mit uns morgen bis Urumqi fahren. Er wird den Bus bis zum Flughafen bringen und dort übernachten, um 4 Uhr früh dann nach Almaty fliegen, dann weiter nach Athen und Thessaloniki. Joe meistert alles meisterhaft. Wir haben Zimmer am Sairamsee und hoffentlich in Korgas. Aber wir essen erst einmal sehr gut und alles andere wird sich finden.

Hans-Peter begrüßt uns heute Morgen zum letzten Mal in Asien. Am Flughafen nehmen wir Abschied und werden uns in 14 Tagen in Katarini wieder sehen. Am Flughafen von Urumqi verabschieden wir uns von Hans-Peter, nicht ohne vorher einen guten Kaffee getrunken und ein Black Forest Cake gegessen zu haben. Die Fahrt ist lang und doch genießen wir wieder die Landschaft vom Bus aus. Hohe Schneeberge begrüßen uns wieder. Wind kommt auf und schaukelt den Bus. Ein Regenguss mit Blitz und Donner geht nieder. Doch es hellt sich wieder auf.

Inge Stagneth

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3Jul/10Off

Wolfram Goslich: Die Reise nach Westen

Es regnet in Shanghai – so viel, dass es kaum Sinn macht, noch ein Busfoto mit Skyline am Bund zu machen. Das Objektiv beschlägt, sowie ich aus dem Bus gehe, alles ist feucht, wir machen trotzdem ein Foto im strömenden Regen vor der Bank of China mit seiner klitschnassen roten Fahne auf dem Dach. Zwei Ampeln weiter, am alten Leuchtturm, biegen wir rechts in die Henan Road ein und dann direkt vom Huan-Po-Fluss auf den Suzhou Expressway - ja die Chinesen lieben amerikanische Bezeichnungen - und wühlen uns durch den morgendlichen Stau aus der Stadt raus, Richtung Westen und das bleibt für die nächsten vier Wochen unsere Fahrtrichtung. Nach Westen zurück nach Europa wieder quer durch Asien. Durch subtropisches, knalliggrünes Ackerland mit seiner fast roten Erde, über riesige Flüsse, den Yangzi, den Gelben Fluss und den Euphrat. Durch brüllend heiße Wüsten, Grasland, Steppe, Hochgebirge und liebliche Flusstäler, alles dabei. Und wieder auf superbequemen Autobahnen, aber auch auf Straßen, die nicht einmal den Namen verdienen. Los geht’s!

G 40, G 30, G312 – unsere Koordinaten seit Tagen. China im Zeitraffer auf dem Weg nach Westen. Jeden Tag legen wir im roten Bus zwischen 400 und bis zu 1,000 Kilometer zurück. Durch das dicht besiedelte, leuchtend grüne, nur zwischen Regen - und Nebelschleiern erkennbare Ostchina hinein in die wild zerklüfteten Lößberge zwischen Xi’an und Lanzhou, über den Yangzi, so breit wie ein ganzes Delta, über den Gelben Fluss, dessen Fluten wirklich ockergelb unter der riesigen Autobahnbrücke in Lanzhou gurgeln.

Ostchina säuft heute Morgen regelrecht im Regen ab. Die Felder stehen unter Wasser, Wege sind Schlammpfade und wir überqueren zahllose kleine Bäche, Flüsse und den berühmten Kaiserkanal. Darauf jede Menge Schubschiffe, Lastkähne und Küstenmotorschiffe unterwegs- dicht an dicht. Wir durchqueren Anhui, eine der ärmsten, der vergessenen Provinzen Chinas, gar nicht weit weg von Shanghai, aber hier im toten Winkel scheint vom neuen chinesischen Reichtum nicht viel angekommen zu sein. Die Bilder, die wir sehen, scheinen eher 80 Jahre alten Postkartenserien zu entstammen – Bauern mit Wasserbüffeln im Reisfeld, beim mühseligen Bearbeiten der Reisfelder, alles von Hand! Hier wächst Tee, die Sträucher reichen als dichte Büsche bis direkt an die Autobahn.

Die Wärme bleibt, das Grün geht, es wird trocken, wir kommen wieder in die Wüste  nach nur vier Tagen, die wir vom Ostchinesischen Meer weggefahren sind. Es geht so wahnsinnig schnell, zunehmend Moscheen, weniger Besiedelung, wieder Lehmhütten mit Flachdächern, dann rauf ins Gebirge auf knapp 2.900 Meter, kühl aber angenehm. Rechts von uns im strahlenden Mittagslicht, ein Lehmbau, länglich, wie eine Ruine und ganz schnell wird klar, wir sind wieder am Westende der chinesischen Mauer, die hier nur in Bruchstücken noch sichtbar ist. Wir stoppen genau dort, wo die Straße die Mauer durchschneidet. Eindrucksvoll!

Und dann fällt schlagartig das Thermometer – in 30 Minuten von 31° C auf etwas über 20° C. Der Wind nimmt zu, es beginnt zu regnen, heute Morgen regnet es sogar noch, und das Thermometer zeigt noch 14° C,mitten im Sommer, mitten in der Wüste irgendwo in Zentralasien! Jetzt, auf dem Rückweg, kommt es mir vor, als wären wir schon ganz weit im Westen, dabei sind wir erst am Anfang der Wüste und haben noch rund 2.000 Kilometer bis zur kasachischen Grenze vor uns. Wir durchqueren einen Wald von weißen Windmühlen, die umweltverträglichen Strom liefern sollen, wir liefern umweltverträgliche Bestnoten: 17,8 Liter Dieselverbrauch  auf 100 Kilometer, der Bus wiegt 16 Tonnen und bietet Platz für 38 Personen, noch Fragen?

Wieder sind jede Menge LKWs unterwegs nach Westen – nach Xinjiang (was eigentlich so viel wie Grenzland heißt), beladen mit Rotoren für Windräder, ganze Windparks entstehen hier. An der Straße stehen flache Armeezelte und oft sogar nur mit Plastikplanen gebaute Verschläge für die Wanderarbeiter, die Straßen und Windräder bauen. Ein Bettgestell, eine Matratze, Wind - und Regenschutz, Leine zum Trocknen, zwei Meter von der Straße, manchmal sogar Frischwasser von der Baustelle direkt nebenan, Klo im Straßengraben. Alles ist Provisorium, deren Leben vielleicht auch oder nicht?

Eine Frau packt im Windschatten einer kleinen Mauer ihre Sachen zusammen, es ist 8 Uhr morgens, sicher hat sie hier neben dem Straßengraben übernachtet, es ist regnerisch, was stecken da bloß für Geschichten dahinter?

Durch die schwarze Gobi geht es nur noch zweispurig, LKWs müssen überholt werden, manchmal auch ein bisschen abgedrängt, um rechtzeitig einscheren zu können. Ein seltsamer Zauber liegt über der Landschaft. Grauschwarze Hügel soweit das Auge reicht, tief hängende Wolken, kurze Schauer, ab und zu Rauchfahnen, die aus Zelten irgendwo an der Straße aufsteigen, ein Mann ist mit dem Lastenfahrrad unterwegs, sammelt leere Plastikflaschen, uns kommt ein Sattelschlepper entgegen, die rechte Seite des Führerhauses völlig eingedrückt, die Bugschürze hängt schief über der Straße, aber er fährt.

Ein andere Sattelschlepper fährt nicht mehr, keine 50 Meter von der Piste entfernt, hat sich festgefahren, steckt  bis zu den Radnaben im Sand und er ist nicht der einzige…

Der Plüsch-Panda-Bär – schon von Anfang an mit Stammplatz im Bus auf der Espressomaschine dabei - wird von mir entdeckt, als kleiner Icebreaker und Kommunikationsbär. Ich will den Plüschbären auf einer Raststätte fotografieren, finde keinen vernünftigen Platz für den Kleinen und schließlich drücke ich einem etwas scheu dreinschauenden  Autobahnpolizisten den Bär in die Hand, der posiert schüchtern, aber er posiert und - er lächelt. Ab jetzt geht der Bär durch viele Hände, es macht ungeheuren Spaß – der hört bei Zöllnern sicher wieder auf, aber was sind schon Zöllner, will man die wirklich fotografieren?

Autobahn wieder super, wir zahlen meist mit Chipkarte, „Fahren Sie sicher und entspannt“, so die Verabschiedung an jeder Mautstelle. Gezahlt wird nach Anzahl der Plätze, das wird zuweilen kontrolliert, wir geben immer 38 an, die einzige Zahl, die ich seit Wochen akzentfrei chinesisch aussprechen kann.

Immer wieder faszinierend, wie viele Menschen sichtbar unterwegs sind. Ich frage mich ständig: woher, wohin? Ein alter Mann trottet gemächlich im Baustellenbereich die Autobahn entlang, Straßenfeger auf der Autobahn müssten eigentlich alle schon Bekanntschaft mit Außenspiegeln gemacht haben - so nah wie sie an der Fahrbahn arbeiten.

Auf der Autobahn, Verkehr einspurig, alles rollt mit etwa 70 km/h dahin. Es ist relativ breit, nicht ganz so eng wie bei uns wenn der Verkehr über nur eine Fahrbahn mit Gegenverkehr läuft, aber immerhin soviel Platz, dass bei mir im rechten Außenspiegel auf einmal in Höhe der Hinterachse ein Honda Kombi auftaucht. Abdrängeln geht nicht mehr, also sauber geradeaus ohne in den Gegenverkehr zu fahren, damit der rechts vorbeikommt, sonst fährt er mir noch in die Mitteltür. Fünf Sekunden realer Wahnsinn auf der G 30 zwischen Xi’an und Lanzhou.

Reifenwechsel und gekippte LKW-Kabinen mitten auf der Fahrbahn - völlig normal, ein im Tunnel abgestellter LKW, mit ein paar Steinen und Hütchen gekennzeichnet, selbstverständlich unbeleuchtet, völlig normal. Rechts überholen ist selbstverständlich geworden, wozu hupen, versteht keiner, also rechts vorbei, stört niemanden, auch nicht die Polizei, die überholen selbst auf der rechten Spur und wenn sie links überholen, stört sie die durchgezogene Linie auch nicht. Da mutet es schon grotesk an, wenn Polizisten Lastenräder und Motorradrikschas anhalten und auf Verkehrssicherheit prüfen, selbst eine Runde drehen, um zu sehen, ob alles funktioniert. Das spielt sich alles vor unseren Augen ab – wir müssen mit dem Bus in die entgegengesetzte Richtung. Bis zur nächsten Ampel fahren kostet Zeit, also eine 180-Grad-Wende über eine durchgezogene Linie(!), nicht nur unter den Augen der Polizei, sondern mit deren Hilfe. Der Verkehr wird angehalten, damit wir wenden können.

Alle, die auf den Feldern arbeiten, sind mit Rädern unterwegs, mit Handkarren und mit Spaten und Gabeln über der Schulter, es sind wirklich kaum mal Trecker zu sehen. Schon lange durchschneiden Autobahnen chinesische Landschaften und dennoch bleibt so vieles sichtbar, was das Leben der Menschen an den Straßen trägt.

Es klart auf. Wir fahren in die Abendsonne, die kahlen Wüstenberge bekommen ganz scharfe Konturen, dramatische Wolkenbilder, zwischendurch Kontrollen, ein Polizist weist uns an, wir sollen rechts ranfahren, wir lächeln den Polizisten freundlich an, sagen auf Chinesisch die Worte Deutschland und Freiburg. Er schaut etwas ungläubig. Wir fahren wieder an, lassen ihn stehen. Kurzer Kontrollblick in den Außenspiegel, er bleibt ruhig. Wir wenden uns wieder unseren Gesprächen zu und fahren weiter.

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3Jul/10Off

Wolfram Goslich : Shanghai

Shanghai: was für eine abgefahrene Stadt – in ihrem Namen steckt schon ein bisschen Verheißung. Heiß ist es, eher schwül, jede Bewegung löst Schwitzen aus. Aber ich gewöhne mich daran, die Stadt ist so quirlig, faszinierend, gegensätzlich, eben Hafenstadt, da bleibt keine Zeit, zu überlegen, ob ich mich bewege oder nicht, die Stadt nimmt mich einfach mit. 

Dabei ist die Skyline bei aller Faszination zunächst eher abschreckend, zwischen den Häuserschluchten wirklich kalt. Zu Fuß, mit der Motorrad Rikscha oder mit dem Taxi sieht man eigentlich am meisten und lernt die Facetten der Stadt zwischen HuangPo, Yangzi und dem Pazifik kennen. Und es sind immer wieder die Menschen, die faszinieren.

Zwischen Bambusgerüsten winkt mir ein Mann zu, als ich es fotografiere, am Sonntagmorgen im Nieselregen stehen auf dem Bund, der Flaniermeile am Fluss, ältere Männer und lassen bunte Drachen steigen, hundert Meter entfernt bewegen sich ältere Damen und Herren zu Tai-Chi-Klängen. Eine Straßenreinigerin kauert am Rand und hält ein Nickerchen, zwei Köche des Fairmont-Peace-Hotels zeigen mir stolz ihre Uniformen, eine junge Partygängerin schlendert verschlafen mit zwei Teigtaschen und einem Maisdrink „to go“ nach Hause, vor einem Hotel warten vier Taxifahrer auf Kunden und zocken derweil, Kartenspiel auf dem Kofferraum eines VW Santana und - es geht um Kohle! Natürlich hat einer der Fahrer auch nagelneue „Rolex“ im Angebot. Der Motorradrikschafahrer kurvt mit mir durch die Stadt, die 15-Minuten-Tour durch den dicken Verkehr würde bei uns reichen, ihn für Jahre zum Fußgänger zu machen, da alle so fahren, kracht es selten. Wenn es kracht, dann allerdings oft mit dramatischen Folgen, davon zeugen die an Autobahnraststätten aufgestellten Warntafeln mit Unfallfotos.

Ich will mit der U-Bahn fahren. Eigentlich ganz einfach. Habe die Station bequem gefunden, der erste Eingang ist halb geschlossen, jedenfalls ist ein Eisengitter bis zur Hälfte runtergelassen, also lieber nicht. Nächster Eingang, Rolltreppe; funktioniert zwar nicht, aber ich komme ins Untergeschoss. Dort Ladenpassagen, dröhnende Boxen, endlose Ladenreihen, von U-Bahn keine Spur. Fragen zwecklos, werde natürlich nicht verstanden, gebe irgendwann auf, es dauert mir zu lange, nehme eine Motorrad-Rikscha, Preis verhandeln, dann losfahren.

Bund 18, schicke Adresse, mit dem durchgestylten Fahrstuhl und seinen roten Reliefplatten aus Acryl an der Stirnwand hinauf in den 7. Stock. Dort erwartet uns eine Riesendachterrasse mit Lounge und Blick über die Glitzercity, unten auf dem HuangPo fahren die Partyschiffe, grell beleuchtet, alle paar Sekunden wechseln die Farben auf der Außenwand des Schiffes -  wie bunte Bonbons, Smarties schwimmen die Dampfer vor der Skyline von Pudong im Dunst.

Was macht dieses Shanghai so faszinierend? Ist es seine Geschichte, koloniale Konzessionen, französisches, englisches Flair? Die Skyline, auf der die meisten Häuser im Nebel verschwinden, weil sie 300, 400, über 500 Meter hoch sind?

Sind es die unzähligen Leitungen, die kreuz und quer über den Straßen hängen und das ganze Chaos optisch noch deutlicher werden lassen? Die riesigen Frachter, die sich neben unzähligen Kohleschuten vor die Skyline schieben oder die grell beleuchteten Partyschiffe, die abends den Blick vom Bund auf das Wasser noch irrealer erscheinen lassen?

Wahrscheinlich alles zusammen.

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30Jun/10Off

Inge Stagneth: Shanghai und neue Reise

Unser Ziel rückt näher. Shanghai wir kommen!  In Nanjing steht das alte China auf dem Programm. Bei schwülem Wetter treiben uns die vielen Stufen zum Grab von Sun Yak Sen den Schweiß aus allen Poren. Ein herrlicher Blick und ein kleiner kühler Wind entschädigen uns für die Mühe. Gott sei Dank ist heute nicht Wochenende und die Chinesen sind etwas weniger als sonst, trotzdem strömen sie für unsere Begriffe in Massen.

Es ist für uns sehr schwierig, dass die Chinesen kaum Distanz halten. Sie stehen unvermittelt ganz nah vor oder neben einem, schauen mit Interesse z.B. beim Bezahlen zu oder schauen gebannt auf den Mund, wenn man spricht. An einer Geldwechselstelle wollen Heidi und ich Euro tauschen, als wir plötzlich von Männern umringt sind, die nicht verpassen wollen, was sich hier tut. Sie stoßen sich gegenseitig, um einen Blick auf das Tun und Treiben der Ausländerinnen zu ergattern. Der Geldumtausch hat im Übrigen nicht geklappt, weil der Computer ausgefallen ist und die Dame nicht - auch nicht mit telefonischer Hilfe - in der Lage war, den Betrag umzurechnen. Vielleicht, mutmaßen wir, ist diese Wechselstube genauso eine Attrappe, wie manche Polizeihäuschen auf der Autobahn. Diese wurden errichtet, um die Chinesen zum langsameren Fahren zu erziehen und von riskanten Überholmanövern abzubringen, was jedoch wenig Erfolge brachte. An der Wechselstube verlangen wir nach 10 Minuten entnervt unsere Euros zurück. Der Dame tut offensichtlich leid, dass sie uns nicht bedienen konnte.

Die Chinesen sind Weltmeister im Weg-, Ab- und Vordrängen, egal ob an der Haltestelle, im Bus oder an der Kasse. Das irritiert und ist unangenehm. Oft werden auch die Ellenbogen eingesetzt und auch die Körperkraft wird benutzt. Aber es stört die Chinesen nicht, wenn diese Methoden von uns auch angewendet werden. Nicht zu drängeln bedeutet, dass man dann den Kürzeren zieht und lange warten muss, denn es gibt dauernd Nachschub.

Wieder fahren wir an einer Millionenstadt mit Hochhäusern vorbei, die alle gleich aussehen und im Dutzend auftreten. Das ergibt  Häuserschluchten in riesigen Ausmaßen, die mich bedrücken, wenn ich daran denke, dass hier Menschen wohnen.  Die Bautätigkeit ist im ganzen Land gigantisch, sei es, dass das Eisenbahnnetz oder die Autobahnen ausgebaut werden. Ganze Viertel werden dem Erdboden gleichgemacht, um neue Hochhäuser hochzuziehen. Auf den Abrissgrundstücken wohnen, dort wo keine Einzäunung steht, Menschen. Sie haben sich sogar einen winzig kleinen Garten angelegt.

Foto Stopp  bei einem Reisfeld, um es einmal nicht nur aus dem Bus zu fotografieren. Viele herrliche Felder, kleine abwechselnd mit größeren Seen, Lotosfelder, saubere Häuschen mit roten Dächern oder Häuser, die wie Villen aussehen, wie eine Parklandschaft zieht alles am Busfenster vorbei. China, wie ich es mir vorgestellt habe. Bauern, die im Wasser den Reis verziehen, die mit dem Wasserbüffel vor dem Pflug das nasse Feld umpflügen. Oft steht ein Mann mit weißem Hemd neben seinem Büffel, Gänse, die an den  Ufern Futter suchen. Viele kleinere weiße Vögel, die in den Feldern ihr Auskommen haben. Männer und Frauen mit ihren typischen, großen, flachen, spitzen Hüten beim Arbeiten. Das Delta des Yangzi ist fruchtbar. Ein Straßenschild zeigt an, dass es noch 1 km bis Shanghai ist. Aber nein, es sagt lediglich, dass die nächste Ausfahrt in einem Kilometer erfolgt. Aber das Schild ist so gut, dass wir es fotografieren müssen. Und dann, da sind wir, Stadtgrenze. Wir fahren auf einer Hochstraße, die uns einige der schönen Wolkenkratzer zeigt, auf den Bund. Ein erhebendes Gefühl hier auf dieser Straße zu fahren. Am Hotel, nach dem Aussteigen, gebe ich einen Sekt aus. Manche von uns haben Tränen den Augen. Fotos, Fotos, wir sind glücklich und genießen den Moment. Hier pulsiert das Leben. Das Hotel liegt fußläufig zum Bund.

Leider verhüllt Nebel die  Skyline von Pudong. Die Regenzeit hat schon begonnen und wir stellen das Programm um. Besichtigen einen typischen, chinesischen Garten, der hauptsächlich aus Häusern besteht und mehr täuscht, als er wirklich ist. Es regnet. Doch hört es auf, als wir auf die Brücke des Yangzi fahren. Die Straße zu der Brücke ist so angelegt wie die Spielzeugautobahn. In großen Schleifen geht es nach oben, immer mit Blick auf die vielen neuen Hochhäuser. Beim Durchlaufen der Altstadt können  wir uns ein kleines Bild vom ehemaligen Shanghai machen. Niedrige Häuser, Läden und viele Menschen prägen das Bild. Hier ist es nicht mehr so mondän aber menschlicher. Wir sehen  das Expo-Gelände und das für mich schönste Hochhaus, das Hyatt. Mit der U-Bahn fahren wir in den Stadtteil, in welchem das deutsche Konsulat steht. Ein Stadtteil mit viel Grün und ohne Hochhäuser. Der Konsul heißt uns herzlich willkommen in Shanghai und ist beeindruckt, dass wir den weiten Weg mit dem Bus gekommen sind. Auf dem Rückweg in die Stadt halten wir am Bund und spazieren in der Menge der Menschen entlang des Flusses, genießen die Aussicht auf Pudong und auf die Kolonialhäuser am Bund.

Am nächsten Tag heißt es früh aufstehen, denn wir wollen zur Expo und am Eingang gibt es lange Wartezeiten, wenn man spät kommt. Wir sind recht schnell durch die Sperren, doch schon hunderte von Menschen, es werden heute 450.000 Besucher kommen, eine Tafel kündet davon. Eine große Überraschung erwartet mich, denn auf dem Freiburger Stand lacht mir Gian von einer Bildergalerie entgegen, die viele Freiburger Bürger zeigt. Der deutsche Pavillon ist interessant und gut gemacht aber es sind so viele Menschen da, dass der Spaß sich in Grenzen hält. Für die meisten Pavillons gilt eine Wartezeit von 5 bis 9 Stunden.

Den Abschiedsabend verbringen wir in einem netten chinesischen Lokal. Viele Dankesreden, Fotos und wieder manch wehmütige Träne. Wir waren eine gute Truppe von Mädels und Jungs -  so begrüßte uns Hans-Peter jeden Morgen: „Guten Morgen Mädels und Jungs“. Wir freuen uns schon auf unser Nachtreffen, Bilder und Erzählungen. Ich kann es nicht fassen, dass die Reise schon vorbei ist. Erst muss sich noch einiges festigen und ich muss es nacharbeiten, doch beim Erzählen zu Hause wird noch einiges klarer werden.

Die Rückreise

Die neue Reise beginnt mit einem Ruhetag in Shanghai. Der Morgen ist verregnet, doch am Nachmittag unternehme ich mit Verena (wir beide fahren wieder mit dem Bus zurück nach Freiburg) einen Spaziergang. Den Nachmittag verbringen wir auf dem Stoffmarkt. Verena kauft Stoff für ein Kleid und Leni, unser Grafiker, erstellt eine Zeichnung von dem Kleid, welches Verena so gut gefällt. Verena führt uns am Abend auf die Terrasse eines Hochhauses und bei einem Gin Tonic genießen wir den Blick auf das beleuchtete Shanghai. Ein herrlicher Moment!

Am nächsten Tag verlassen wir Shanghai um 7.30 Uhr. Heidy ist zu uns gestoßen, denn sie will nur die Rückfahrt mitmachen. Ich glaube, dass wir gut zueinander passen. So sind wir sieben Leute, die mit dem riesigen Bus unterwegs sind. Nun heißt es:  Let‘s go West. Wir fahren durch das Wasserland. Wieder eine Landschaft wie die Malerei eines chinesischen Künstlers. Und als die bewaldeten Hügel dazukommen, kleine Schluchten. Ich nicke etwas ein und erwache in einer anderen Landschaft: Berge, keine Reisfelder, Weizen zum Teil schon abgeerntet, auf den Feldern. 700 km sind wir bis Xin Yan gefahren und suchen ein Hotel. Eine chinesische Stadt, ohne Touristen. Wir sind eine Attraktion. Der Verkehr ist dicht und alle Teilnehmer schleichen aneinander vorbei. Riesige Melonenwagen werden angepriesen. Es wuselt von Menschen, Fahrrädern, Autos, Bussen. Nach mehrmaligem Fragen unseres chinesischen Reiseleiters finden wir das erste Haus am Platz. Sehr freundlich werden wir in Empfang genommen, In der nächtlichen Stadt suchen  wir ein Lokal, sehen Szenen wie aus einem alten Film: Ein dicker Chinese, mit einem nackten Kugelbauch, steht vor seiner Garküche und fuchtelt mit einem großen Messer in der Luft. Familien sitzen auf dem Boden und essen, andere schlafen im Liegestuhl. Laute Musik dröhnt von irgendwoher. Auf einem großen Platz tanzen Paare. Es ist heiß. Der eine schickt uns nach rechts, der andere nach links. Aber unser Führer findet den Weg. Wir essen bei einem Koreaner. In der dunklen Stadt finden wir den Weg zurück.

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27Jun/10Off

Shanghai

Am vergangenen Freitag haben wir die Expo in Shanghai besucht und wurden auf dem Stand der Stadt Freiburg empfangen. Sehr herzlich übrigens! Interessant war es zu sehen, dass Freiburg wirklich den Ruf einer "grünen" Stadt hat, deren Bevölkerung man hier in der Ferne eine nachhaltige Lebensweise zutraut. Auf der Pressekonferenz, die anlässlich unserer Ankunft ausgerichtet wurde, waren namhafte chinesische Zeitungen, Radiostationen und Fernsehsender vertreten, die sich höchst interessiert zeigten an unserem Ansatz eines nachhaltigen, ökologischen, "grünen" Tourismus, wie er mit dem Bus par Excellence möglich ist. Das Thema hat einen Stellenwert! Umweltthemen sind angekommen bei den Chinesen, und zwar nicht nur in Bezug auf Energieeinsparung, Klimawandel, Umweltverschmutzung, Luftverbesserung, Gewässerschutz oder Aufforstung, sondern auch was den Tourismus angeht: Unsere Art so weit zu reisen wurde als etwas Außergewöhnliches betrachtet und als Schritt in die richtige Richtung. Nicht um möglichst schnell von Deutschland nach China zu kommen, sondern um nachhaltig und authentisch zu reisen. Den Bus zu nehmen wird hier bereits als Reiseform der Zukunft verstanden. Wir hatten den Eindruck, dass unsere Botschaft angekommen ist. Und aufgrund des "grünen" Rufes von Freiburg zeigte sich niemand allzusehr verwundert, dass ausgerechnet eine Freiburger Gruppe auf diese nachhaltige Art nach Shanghai reiste. Nächstes Jahr möchte uns deshalb ein chinesischer Fernsehsender auf einer Teilstrecke nach Peking begleiten ...

Nach einem tränen- und redenreichen Abschiedsabend hat sich die Reisegruppe am Samstag weitgehend getrennt: Eine Gruppe ist mit dem Zug nach Peking gefahren, um von dort mit der Transsibirischen Eisenbahn zurück nach Europa zu gelangen oder um Peking zu besuchen, ein paar haben ihren Aufenthalt verlängert und sind noch in der Gegend, und etwa die Hälfte dürfte bereits mit dem Flugzeug in Deutschland eingetroffen sein.

Wir, die wir mit dem Bus zurückfahren, haben es uns gemütlich gemacht, die Stadt erkundet und uns etwas erholt, denn anstrengend ist eine solche Reise ohne Frage. Aber auch wahnsinnig interessant.

Ab Montag sind wir wieder dann unterwegs, dieses Mal in umgekehrter Richtung von Shanghai nach Freiburg. In sechsundzwanzig Tagen fahren wir auf ähnlicher Route zurück. Rund 14 000 Kilometer beträgt die Strecke, sie ist etwas kürzer als der Hinweg, da all die Stadtrundfahrten, Umwege, Abstecher und Ausflüge entfallen, die wir uns auf dem Hinweg gegönnt haben. Dennoch werden wir nicht nur im Bus sitzen und "nur" die atemberaubenden Landschaften Asiens betrachten, sondern auch ein paar Tage ohne zu fahren einlegen, in der Oase Turfan, wenn wir die schwarze Gobi durchquert haben, in Buchara, in Istanbul und an der Ägäis in Griechenland, kurz bevor wir am 23.07. nach 100 Tagen um viele Erfahrungen reicher in Freiburg eintreffen. Die Länder, durch die wir kommen sind China, Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Iran, Türkei, Griechenland, Italien und die Schweiz.

Via GPS wird die Route des Busses in manchen Ländern zu sehen sein, wir versuchen auch, von unterwegs immer wieder Fotos zu schicken. Vielen Dank für das Mitreisen in Gedanken.

Herzliche Grüße aus Shanghai!

Hans-Peter Christoph

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24Jun/10Off

Empfang beim Generalkonsul

Empfang für die Avantis beim Generalkonsul, Herrn von der Heyden, links neben Hans-Peter Christoph, heute Nachmittag.

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24Jun/10Off

Hans-Peter Christoph: Es ist geschafft!

Hallo Jungs und Mädels, liebe Leute, sehr geehrte Damen und Herren! 
 
Es ist geschafft! Wir sind in Shanghai! Wir sind am Ziel! 
 
Gestern Abend gegen 17.30 Uhr sind wir ganz planmäßig eingetroffen. Alle großen und kleinen Ereignisse waren und sind immer noch im Blog nachzuverfolgen, von Inges Verletzung in Istanbul angefangen, über Hotels, Essen, Toiletten, Grenzen, Wartezeiten, Menschen, Missgeschicke und Glücksfälle zu Wüsten, Reisfeldern, Reiseleitern und Omnibussen, festgehalten von unseren Fotografen und fleißigen BlogschreiberInnen. 
 
Exakt 17.973 Kilometer betrug die Strecke, die wir im Bus auf dem Landweg von Europa/Freiburg quer durch Asien nach China/Shanghai inklusive aller Ausflüge und Stadtrundfahrten zurückgelegt haben. 354 Stunden abeitete der Motor, die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 49 km/h, der Verbrauch lag bei 30,4 Litern auf Hundert Kilometer - eingeflossen in diese Zahlen sind auch die Stunden, die wir zum Staubsaugen und Kühlen den Motor laufen ließen. Zu den über Land zurückgelegten Kilometern kommen die rund 800 auf dem Schiff von Venedig nach Igoumenitsa in Griechenland hinzu, sodass unsere gesamte Strecke bis zur Ankunft rund 18-800 Kilometer betrug. 
 
Es hat also geklappt! Zum zweiten Male überhaupt, dass ein Reisebus mit einer Gruppe von Menschen von Europa nach Fernost unterwegs war, lief alles - inklusive der vorhersehbar eingetroffenen Grenzschwierigkeiten - genau nach Plan. Kein Mord und Totschlag unter den Reiseteilnehmern, die heute exakt 70 Tage und Nächte gemeinsam unterwegs sind. Im Gegenteil: Es herrscht gutes Einvernehmen und macht Spaß mit diesen Menschen unterwegs zu sein! 
 
Keine Panne am Fahrzeug, kein Unfall und kein Überfall, nichts, gar nichts passierte, was man uns an Schreckensszenarien im Vorfeld ausgemalt hatte. 
 
Dennoch war es keine gewöhnliche Pauschalreise! 
 
Man kann in Deutschland in den Bus steigen und damit quer durch Asien fahren! Man muss nicht fliegen, wenn man reisen möchte. Im Gegenteil: Man erlebt mehr, viel mehr, wenn man über Land reist! Bus zu fahren ist toll, ist ein Erlebnis, es ist nachhaltig, klima- und umweltfreundlich, und es macht wahnsinnig viel Spaß! 
 
Denn: Wir haben neue Freunde gefunden - untereinander! Wir haben Menschen kennengelernt - in der Fremde. Wir sind in Kontakt gekommen - mit Einheimischen unterwegs, viele Hundert Mal! Wenn auch oftmals nicht die Worte zu verstehen oder übersetzen waren, das Verständnis füreinander war da, die Herzlichkeit und die Sympathie. 
 
Es war und ist großartig! Wir sind am Ziel, in unserem Hotel unweit vom "Bund" von Shanghai am gelben Meer, dem pazifischen Ozean, am Ende der eurasischen Landmasse, näher an Amerika als an Europa! Wir sind dankbar, dass alles so geklappt hat. 
 
Für einige von uns ist die Reise aber nicht noch zu Ende. Ein paar bleiben noch, andere nehmen den Zug, und wir, Verena, Inge, Ina, Frau Ludewig, Wolfram und ich fahren auf ziemlich exakt der gleichen Strecke wieder zurück! Mit all den Grenzschwierigkeiten, stundenlangem Warten, blinden und rücksichtsvollen Autofahrern, furchtbaren Straßen, korrupten Polizisten, wunderbaren Landschaften, ans Herz rührenden Begegnungen und neuen Erfahrungen. 
 
Danke den vielen Menschen, die diese Reise ermöglicht haben! 
 
Nächstes Jahr wiederholt sich das Spiel. Eine Reiseerfahrung, die es nirgendwo auf der Welt gibt, nimmt am 28.04. 2011 wieder ihren Lauf, auf der neuen Reise von Freiburg nach Peking, auf der Seidenstraße um die halbe Welt! Details sind zu erfahren auf unserer Homepage www.avantireisen.de. Anmeldungen werden noch entgegengenommen, und zwar unter info@avantireisen.de und der deutschen Telefonnummer 0761/3 86 58 80! 
 
Ganz herzliche Grüße aus Shanghai 
 
Hans-Peter Christoph

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23Jun/10Off

Botschaft einer Mitreisenden

Liebe Mitreisende, 

mit Spannung habe ich auf Eure Beschreibungen aus China gewartet und ich danke Euch dafür.

Ihr habt „mein“ Land mit so viel positivem Interesse und Detailfreude beschrieben, wie ich sie auch empfunden  habe bei den vielen Malen, die ich dort war.

Nichts habt Ihr beschrieben, was ich nicht schon so ähnlich erlebt hätte und es gefällt mir, dass Euch China gefällt und fasziniert, das Land meines Studiums, das auch ich immer versuchte  meinen Gästen nahe zu bringen.

Ich freue mich, Euch wiederzusehen. 

 Seid herzlichst gegrüßt von Eurer Mitreisenden  Magdalena

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21Jun/10Off

Heidi Bisang: Oh je, der Abschied naht…

Liebe Fangemeinde

Oh je, der Abschied naht, schneller als uns allen lieb ist. Mir wird ganz bange, wenn ich daran denke, dass wir uns Ende dieser Woche in alle Himmelsrichtungen verstreuen werden.

Vorher will ich Euch aber noch ein wenig von China und den Chinesen berichten. Die schiere Größe Chinas, die verschiedenen Klima- bzw. Vegetationszonen, Provinzen, die oft die Größe Deutschlands oder sogar ganz Europas ausmachen, erschlagen unsereinen ganz einfach. Was mir (uns allen) aufgefallen ist: China boomt! Sogar die ärmeren und landschaftlich kargeren Provinzen scheinen uns nach den -Stanländern (von Usbeki- bis Kasachstan) recht wohlhabend und vor allem aufstrebend. Fotografiert wurden wir auch hier immer wieder. Vor allem, wenn wir mal eine Rast in einer kleinen Ortschaft einlegten, kam es öfter zu „Dorfversammlungen“ rund um den Bus. Da wurde dann nach dem Woher und Wohin gefragt und ungläubig die Köpfe geschüttelt, dass eine soooo lange Reise in einem Bus überhaupt machbar sei. Und dann mussten wir uns zusammen mit den Dorfbewohnern gegenseitig fotografieren. Wenn dann der Scheff noch die chinesischen Prospekte von Freiburg verteilte, kannte die  Begeisterung keine Grenzen mehr.

Die Dörfer und Städte

In den Wüsten- oder Berggebieten sind auch die  Dörfer (eher Weiler) recht ärmlich, das bisschen Viehwirtschaft bringt wohl auch nicht sehr viel ein. Die großen Oasen (für chinesische Verhältnisse Kleinstädte, für uns recht große) scheinen aber reich zu sein, seit den Anfängen der Seidenstraße blüht hier der Handel und bringt den Wohlstand. Da gehören auch die Touris oft zum Stadtbild.

Die Reisbauern sind sichtlich wohlhabender, die Dörfer schmucker, die Häuser  größer und schöner. Seit wir durchs „Reisland“ fahren ist die Landschaft sattgrün, wir sehen abgeerntete Felder und neu angesäte, die Bauern fahren hier zwei Ernten ein. Das ist auch nötig: Über eine Milliarde Chinesen wollen schließlich ernährt werden. Wenn man durch dieses riesige Land fährt, durch diese vielfältigen Landschaften: von Wüsten übers Hochgebirge zu den tropisch feuchtheißen Ebenen am Yangze, verliert man die Angst vor der vielbeschworenen (im Westen) „gelben Gefahr“. China will sich nicht vergrößern, auch niemanden erobern, die haben genug zu tun, die eigene Bevölkerung zu ernähren und das eigene riesige Reich zusammenzuhalten.

Um möglichst viel landwirtschaftlich nutzbare Fläche  zu erhalten, werden die Städte sehr verdichtet bebaut, d.h. in die Höhe und nahe beisammen, da wachsen Wolkenkratzer an Wolkenkratzer an Wolkenkratzer in den Himmel. Unglaublich nahe wird da zusammengebaut (Hongkong lässt grüßen). Am eindrücklichsten sahen wir das in den drei Schluchten, wo viele Ortschaften neu gebaut werden mussten und immer noch gebaut werden, weil die alten Dörfer und Städte im Stausee ertrunken sind. Unser erster Gedanke bei der Ansicht dieser  neuen Orte: Oh Gott, wie kann man nur so beengt leben! Die Meinung der Chinesen (der jungen vor allem): Ach wie schön, wir wohnen wieder alle nahe beieinander, haben aber doppelt so viel Platz, haben eine eigene Küche, fließendes Wasser, elektrischen Strom  und sogar ein eigenes Bad mit WC, welcher Luxus.

Die Sprache

Seit Wochen sind wir Analphabeten. Nicht mal Zahlen können wir lesen. Das Klo auf der Autobahn finden wir nur, wenn entweder ein Piktogramm oder lateinische Buchstaben darauf hinweisen. Oft reicht es allerdings, wenn wir „der Nase nachgehen“. Bitte und Danke können wir mittlerweile sagen, ein Bier/Wasser/Tee können wir bestellen, auch wenn’s manchmal mehrmals wiederholt werden muss, weil wir mal wieder falsch betont haben. Auf die Frage woher wir kämen, kam als Antwort auch schon mal „Süßkartoffel“ raus statt Deutschland (Digua statt Deguo). Das Gelächter ist dann immer gewaltig, die meisten Chinesen sind nämlich freundlich und lachen gerne, oft und laut. Und schon wären wir bei den

Menschen

Die Chinesen gibt es selbstverständlich ebenso wenig wie die Deutschen oder die Europäer. Aber ein paar Eigenheiten sind uns schon aufgefallen: Laut sind sie, die Chinesen - und zwar querbeet durch alle Rassen und Provinzen (ob Turk­völker/Mongolen/Hanchinesen). Oft hören wir, wie zwei sich anbrüllen, als ob sie demnächst aufeinander losgehen wollten. Dem ist nicht so, die plaudern nur miteinander! Den Mao-Einheits-Look sieht man nur noch höchst selten (an alten Männern). Bunt ist die Kleidung und sehr modisch. Dass es offenbar auch modisch ist, abends im Schlafanzug mit Frau und Kindern spazieren zu gehen, hat uns nur zu Beginn etwas erstaunt. Im großen Ganzen sind die Chinesen aber schlanker als wir Europäer und wesentlich schlanker als der Großteil der Amerikaner. Ein gewisses Machotum kann man den Männern allerdings auch nicht absprechen: Es kann durchaus vorkommen, dass ein paar Chinesen „Ellbogen voran“ in einen Lift/Ein- oder Ausgang drängeln und die davor wartenden Damen einfach wegdrücken. Ein ganz beliebtes Hobby der Chinesen ist Singen, Karaoke-Singen. Wo immer eine chinesische Feier ansteht, wird Karaoke gesungen. Linus und Che (unsere Reiseleiter in China) haben uns natürlich auch in eine Karaokebar begleitet. Dort mieteten sie für uns ein „Séparée“, das ist ein Raum mit Sofas (meist an drei Wänden entlang) und einem  Riesenbildschirm an der zweiten Längswand. Mittels einer „Spielkonsole“ wird dann die Begleitmusik mehr oder weniger berühmter Lieder/Schlager/Songs projiziert. Die Melodie samt Text muss dann ein Teilnehmer der Runde beisteuern. Zu unserer großen Gaudi haben Linus und Che chinesische Schlager gesungen. Die auch uns bekannten englischen Melodien haben wir dann lauthals mitgesungen. Fazit: Wer nie in einer Karaoke-Bar war, war nicht in China. Das muss man einfach erlebt haben! In die Séparées werden von Geschäftsherren auch sangeskundige junge Damen engagiert, die – je nach Preislage – auch für weitergehende Dienstleistungen buchbar sind. Natürlich gibt es auch „öffentliche“ Karaoke-Säle, die werden hauptsächlich von jungen Leuten besucht und sind sehr, sehr, sehr laut und sehr beliebt, denn da können die Jugendlichen nicht nur nach Lust und Laune singen bis grölen, es gibt da auch wunderbar dunkle Sofaecken zum schmusen. Die skurrilste Bar (mit guter Livemusik, kein Karaoke) haben wir gestern Nacht in Wuhan besucht: eine ehemalige Kirche, die im nachempfundenen „sakralen“ Stil – mit viel Gold und Glimmer – eingerichtet ist. Die Getränkekarte kommt in Form eines Kreuzes daher, bei uns undenkbar, im buddhistischen, konfuzianischen, atheistischen China aber absolut kein Problem.

Die Straßen

Die Autobahnen Chinas sind meist gut bis sehr gut, das Autobahnnetz ist – wie so vieles in China – gigantisch. Nebenstraßen oder Baustellen sind oft schlecht und gleichen Bachbetten. Alle Straßen, ob in Städten, Dörfern, auf Haupt- oder Nebenstraßen werden fast ausschließlich von Frauen geputzt. Auch auf Autobahnen haben wir bis jetzt nur menschliche (vorwiegend weibliche) „Kehrmaschinen“ getroffen. Da kann man auf Autobahnen doch tatsächlich Kleingruppen von zwei bis drei Frauen sehen, die mit Besen und Schaufel und einem kleinen Wägelchen für den zusammengekehrten Dreck, putzend über die Autobahn „wandern“. Uns stockte der Atem beim Anblick dieser Menschen bei ihrer lebensgefährlichen Arbeit. Nebst Besen und Schaufel sind die Frauen mit dicken Arbeitshandschuhen, einer orangefarbenen Jacke, einem Hut und dickem Mundschutz ausgerüstet. Verkehrsregeln gibt es selbstverständlich auch im Reich der Mitte, allerdings scheinen sie eher als „Empfehlung“ zu gelten. Da wird rechts oder links überholt, wie’s gerade passt, man gibt ein Hupzeichen und los geht’s. Auch die Ampeln (in den Städten) werden nur bedingt beachtet, als Fußgänger muss man einfach gleichmäßigen Schrittes die Straßen überqueren, im festen Glauben, dass die Autos einen dann schon durchlassen. Ihr werdet’s kaum glauben, das klappt. Und besser als in Teheran ist es alleweil.

Alles in allem haben wir in den vier Wochen seit unserem Grenzübertritt nach China weit über 5.000 Kilometer zurückgelegt. Wir sind über hohe Berge gefahren, haben Steppen und Wüsten durchquert, haben wunderbar fruchtbare, grüne Täler und Ebenen gesehen, den gelben Fluss und den Yangze durch Schluchten begleitet, haben Millionenstädte und kleine Dörfer kennengelernt und doch nur einen winzig kleinen Teil dieses riesigen Landes (buchstäblich) erfahren. Unfassbar!

Die Hotels, zum Letzten

Wer zählt die Zimmer, nennt die Namen aller Hotels, die wir auf unserer Reise kennengelernt haben? Oft erinnern wir uns nur noch an ganz spezielle Details. Zum Beispiel an unsere Kollegin, die verzweifelt ihr Zimmer sucht und von einem hilfreichen Geist erfahren muss, dass sie im falschen Hotel sei. Das war sie natürlich nicht, sie hatte „nur“ den Umschlag der Zimmerschlüssel-Karte des „gestrigen“ Hotels in der Hand und diese Zimmernummer gab’s halt nicht in diesem Haus. Oder: Eine Reisegenossin erlebt nach dem ersten Gang aufs WC, dass das Spülwasser nicht in den Spülkasten nachläuft, sondern von der Decke regnet (sie konnte das Zimmer wechseln). Die Raucherin, die ein „Nichtraucherzimmer“ erhält und um Verlegung in ein Raucherzimmer bittet und statt dessen einen Aschenbecher geliefert bekommt, mit der Aufforderung nur ruhig zu rauchen, wird jenes Hotel nicht so schnell vergessen. In China wird sehr viel geraucht (die Schachtel Zigaretten kostet meist weniger als einen Euro) und dass jemand ein Nichtraucherzimmer möchte, stößt weitgehend auf Unverständnis. Legionen von Brandlöchern auf Hotelzimmerteppichen bezeugen dies. Chinesische Hotelgäste scheinen in den Zimmern auch oft zu essen und zu trinken, auch das ist auf den Teppichen ablesbar. Aber keine Angst, niemand muss barfuß gehen und sich einen Fußpilz angeln: In jedem Hotelzimmer liegen Wegwerffinkli (= Einweg-Hausschuhe) bereit. Dass nicht alles, was in den Badezimmern steht – neben den üblichen Duschgels und Shampoos – gratis ist, musste ein Paar schmerzlich erfahren, das ein zum Kauf (in Chinesisch) angebotenes, in ein Döschen verpacktes Reisehandtuch, eingesteckt hat. Sie wurden – schon im Bus sitzend – zur Kasse gebeten. Auch die „Schlüssel“-Karten müssen zurück gegeben werden. Wer sie als Souvenir mitlaufen lässt oder sie verliert, bekommt die Rechnung serviert.

Das Essen

Dass die chinesische Küche nicht nur weltberühmt, sondern auch sehr bekömmlich ist, haben wir in den letzten Wochen lustvoll am eigenen Leib erfahren. Das Essen mit den Stäbchen haben wir – nach den erwarteten Anfangsschwierigkeiten – „voll im Griff“. Wir angeln die Bissen vom Drehteller (fast) wie echte Chinesen und wagen uns auch an 1.000jährigen Eier und Frösche (beides schmeckt viel besser als es tönt). Je nach Provinz essen wir scharf oder noch schärfer, wirklich mild sind nur wenige Gerichte. Unsere Mägen haben sich an die neue Kost gewöhnt und nur noch selten (bis nie) denken wir an ein schönes Stück Brot mit Käse oder Wurst.

Die Reiseleiter

Dass wir China (und alle vorangehenden Länder) so genießen konnten und noch ein paar Tage können, verdanken wir unseren lokalen Reiseleitern. Seit wir in China sind begleitet uns Che, ein fröhlicher, junger Chinese, der in Basel Deutsch gelernt hat. Er sorgt dafür, dass wir in guten Lokalen hervorragend bekocht werden. Er bringt uns China und die Chinesen näher. Als Übersetzer ist er schlicht unentbehrlich. Er singt uns chinesische Lieder vor (nicht nur in Karaoke-Lokalen, auch im Bus), erzählt chinesische Geschichten und Anekdoten, wir haben ihn ins Herz geschlossen. Bis Chongqing war Linus Schlüter, ein Sinologe, der Chinesisch spricht, unser deutscher Reisebegleiter. Linus hat uns Hintergründe und Zusammenhänge in der langen chinesischen Geschichte und Kultur aufgezeigt und verstehen gelehrt. Halbe Nächte lang haben wir (ein paar Nachteulen) auf „Zimmerpartys“ mit ihm diskutiert und ihm „Löcher in den Bauch“ gefragt über die chinesische Kultur. Er hat uns durch Gräber, Grotten, Städte, Tempel, Pagoden und und und geführt. Er ist mit uns über Bergwiesen gewandert und mit den Wandervögeln auf Berge geklettert. Kurz: Er hat uns China nahe gebracht. Wir ließen ihn nur ungern ziehen.

Sein Nachfolger, Volker Häring, auch er Sinologe, auch er beherrscht die chinesische Sprache, ist ein profunder Kenner des Yangzi (so die offizielle Umschrift des Yangtse, Yangze etc.), er ist der Chef von „China by Bike“, Organisator der Radreise von Athen nach Peking im Jahr 2008. Er bringt uns diesen Teil Chinas (von Chongqin bis Shanghai) nahe. Auch er mit viel Liebe zum Detail, vielen Erläuterungen und viel Verständnis für dieses große Land. Er sieht die Vor- und Nachteile dieses Projektes und erläutert sie uns auch. Ich sehe dieses ganze Staudamm-Projekt jetzt mit ganz anderen Augen als vor dieser Reise, als ich nur die eher „reißerischen“ Berichte (und Kritiken) erfahren habe. Der Staudamm war dann für mich übrigens eher etwas enttäuschend: Ich hatte mir den viel größer vorgestellt, der Grimsel-Staudamm kommt mir imposanter vor. Die Schleusen hingegen, die waren rassig. Fünf Staustufen, direkt hintereinander geschaltet, jede um die 20 Meter hoch. Volker ist der (Co-)Autor des Buches „Flusskreuzfahrten auf dem Yangzi“. Sollte jemand von Euch Boglesern eine Reise an und auf dem Yangzi planen, unbedingt vorher (und während der Reise) lesen!

Zu guter Letzt

Morgen Dienstag werden wir uns Nanjing ansehen und genießen und am Mittwoch werden wir unser Ziel Shanghai erreichen. Unser treuer roter Avantibus wird dann etwa 18.000 Kilometer mehr auf dem Tacho haben. Zusammen mit fünf anderen Shanghaianern werde ich Beijing sehen – unser Che wird uns durch seine Heimatstadt führen. Zu viert geht’s dann mit der Transsib nach Ulan Bator, Irkuzk, Moskau und via Warschau zurück nach Deutschland und der Schweiz.

Wenn’s technisch und zeitlich möglich ist, melde ich mich vom langen Heimweg.

Für heute bedanke ich mich bei Ihnen und Ihnen und Dir und sage auf Wiederlesen, tschüss und zàijiàn

Heidi Bisang

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