Inge Stagneth: Samarkand – Urumqi
13.5. Samarkand
Prächtig fängt der Tag an. Die Architektur ist wirklich atemberaubend. Die Gebäude auf dem Registan-Platz sind so wunderbar, dass ich mich kaum sattsehen kann und ich bin glücklich, dies alles mit eigenen Augen zu sehen. Wir durchwandern die Räume, bleiben natürlich bei den Waren, die im Innern angeboten werden, stehen, prüfen und kaufen und Reza bleibt geduldig. Wenn wir alle bei ihm stehen, erzählt er uns die alte Geschichte. Stunden verbringen wir wieder auf dem Bazar. Und hier kaufen wir die usbekischen Pampers. Im Geo Spezial Nr. 6/2007 steht die Geschichte über sie:
Man könnte sie für eigentümliche Pfeifen halten, doch weit daneben. Denn „Schumaks“ sind Urinale für Babys. Mit der breiteren Öffnung senkrecht zwischen den Beinen der Jungen oder Mädchen eingepasst, sorgen sie dafür, dass die kleinen Geschäfte der Kleinen flüssig vonstatten gehen. Das funktioniert allerdings nur im stationären Gebrauch, also in der Wiege, da die Schumaks nur dort zwischen den Beinen der Babys fixiert werden können. Und gelingt mittels breiter, oftmals aufwändig verzierter Fesseln, die um die Bettchen geschlungen werden. In die Kleider und Decken ist ein großes Loch geschnitten, ebenso in den Boden der Wiege. Darunter steht schließlich ein Töpfchen für den gelungenen Abschluss. Seit rund 1000 Jahren schwören Mütter in Chinas Nordwesten auf das sehr eigene Abwassersystem für ihre Jüngsten. Auf den Märkten der muslimische Uiguren sieht man die aus Maulbeerbaumholz geschnitzten Urinale noch heute –eben auch in Kirgistan. Das Ende der Windeln kommt erst nach rund zwei Jahren – also dann, wenn die Kleinen trocken sind. Aber nicht nur diese mehrmalige Verwendung ein und desselben Exemplars schont die Umwelt. Auch seine Entsorgung geht ökologisch einwandfrei vonstatten – eine Schumak wird letztlich im heimischen Herd verfeuert.
Ich habe natürlich diese Schumaks für ein paar Cent umgerechnet erstanden. Verena haben wir beim Kauf einer Mütze unterstützt. Und auf dem Heimweg bleiben wir noch in einem schönen Geschäft hängen, aber die Sachen sind mir alle viel zu eng. Den Abend verbringe ich mit Monika und Birgit in einer Medrese bei einem klassischen Konzert. Ich fühle mich in einen russischen Film versetzt: Drei Russinnen und ein Usbeke, der die usbekische Querflöte perfekt beherrscht, bestreiten das Programm. Die Dame mit dem Cello, gekleidet ist sie in einen schwarzen, langen Samtrock, ist die Ansagerin. Die Pianistin trägt ein enges, schwarzes Kleid, mit hohen Schuhen. Sie schaut kaum auf von ihrem Notenblatt. Eine ältere Sopranistin, singt russische Lieder. Wer möchte, kann Saft trinken. Außer uns ist noch eine italienische Gruppe da. Herausgeputzt, sodass ich mir mit meinem Rucksack und den nackten Füßen in den bequemen Sandalen etwas komisch vorkomme. Vor dem Konzert habe ich mit einem jungen charmanten Guide gesprochen, der eine kleine Gruppe Amerikaner führt. Er spricht fließend Deutsch und er erzählt, dass er ein freiwilliges soziales Jahr in der Nähe von Fulda absolvierte und dort mit Behinderten gearbeitet hat.
14.5. Samarkand
Der Morgen beginnt mit der Besichtigung der Gräberstraße. Viele verschiedene Kuppeln gibt es zu bestaunen. Aber wir sind alle etwas übersättigt mit Besichtigungen. So sitzen wir auf den Stufen und lauschen den Ausführungen Rezas. Es ist herrlich diese Bauwerke zu betrachten und zu träumen.
Beim Besuch der Seidenweberei wird es dann wieder lebendiger. Der Besitzer erklärt uns die Herstellung so witzig, dass wir die Müdigkeit vergessen und gebannt zuhören. Wir schauen den Mädchen zu, mit welcher Fingerfertigkeit sie arbeiten. Eine Decke aus Seide habe ich mir ausgeguckt, aber der Preis hält mich davon ab, eine zu kaufen. Viele Politiker, u. a. auch Angela Merkel waren schon bei ihm zu Besuch.
Am Nachmittag schlendern wir nochmals über den Bazar und wollen noch das Minarett besteigen. Ich nehme Abstand, denn ich weiß nicht, ob das mit der Höhe klappt und vertrauenswürdig sieht das Treppenhaus nicht aus. Doch Birgit und Sigrid nehmen den Aufstieg in Kauf. Im Innenhof der Medrese ist eine kleine Bühne aufgebaut und davor stehen die Diwans zum Teetrinken. Wir nehmen Platz, trinken Tee und erleben eine sehr schöne Aufführung, die auch das Hochzeits-Zermoniell zum Thema hat.
15.5. Samarkand - Taschkent
Heute ist wieder ein Fahrtag. Ca. sechs Stunden werden wir fahren und uns aus dem Busfenster die Landschaft anschauen. Das Hotel ist ein Bau aus der Sowjetzeit. Ein riesiger Komplex, wie ein Bienenkorb sieht es aus. Eine moderne Stadt, mit großen Prachtbauten und großen Parkanlagen.
Zum Abendessen führt uns Reza in ein Restaurant. Wir sitzen im Garten, es wir Live Musik gespielt. Die Musik ist sehr laut, aber das scheint die Usbeken nicht zu stören. Die Tische sind schön eingedeckt und heute Abend sind wir viele, denn die Mitreisenden, die ab Taschkent dabei sind, sind eingetroffen und die, die uns in Taschkent verlassen, sind noch da. Eine richtig große Tafel. Am Nebentisch sitzt eine Geburtstagsgesellschaft und sie tanzen. Ich bewege mich etwas zur Musik. Plötzlich werde ich von einem jungen Mann aufgefordert und ich tanze mit ihm. So ganz wohl fühle ich mich nicht, denn ich weiß nicht, ob dies hier so üblich ist. Nach dem Tanz bringt mich der junge Mann an den Tisch zurück und der Kellner bringt mir eine Flasche Sekt von ihm. Mir ist das peinlich. Was bedeutet dies? Reza aber beruhigt mich und sagt, dass dies der Dank sie und alles seine Ordnung habe. Ich will es ihm glauben. Spaß hat es allemal gemacht.
16.5. Taschkent
Der Bazar hier ist überwältigend. Bunt, fröhlich, und laut. Die Menschen lachen, lassen sich aber nicht so gerne fotografieren. Bunte, schöne Kleider tragen die Frauen und auch hier zeigen sie alle ihre Goldzähne. Das Gemüse ist so schön, dass ich am liebsten alles einkaufen will.
Wir gehen zum Denkmal, welches für die Erdbebenopfer gebaut wurde, sehen eine aufstrebende moderne Stadt mit großzügigen Plätzen, Universitäten, Schulen, Kaufhäuser usw.-
Am Abend feiern wir Abschied in einem Lokal, zu dem wir wieder zu Fuß gehen können. Schade, dass uns sechs verlassen, zum Frühstück werden sie nicht mehr dabei sein. Aber wir werden uns mit den Neuen auch anfreunden.
17.5. Taschkent - Taraz
Heute wieder früh los. Die Grenze erwartet uns. Zunächst geht alles schnell. Wir kommen um 9.30 Uhr an und werden an den Einheimischen vorbeigeschleust. Doch dann heißt es warten, der Bus steht zwar zur Ausfahrt bereit, aber es fehlt wohl ein Papier oder ein Stempel, dass wir Kasachstan befahren können. Wir üben uns in Geduld. Wir sitzen außerhalb des Zollgebäudes und vertreiben uns die Zeit mit Spielen, lesen, reden. Den Bus dürfen wir nicht betreten, müssen also draußen bleiben. Das Klohäuschen ist eine Bretterbude und stinkt entsetzlich, ist schmutzig und wüst. Es gibt keine Möglichkeit etwas zum Essen oder Trinken zu kaufen. Ina hat noch altes Brot und ein paar Kekse. Kaffee können wir nicht kochen, da der Bus abgestellt ist. Nach Stunden kommt ein Zöllner und bietet an, uns durch seine Mutter ein Eis bringen zu lassen. Einige von uns nehmen dies gerne an. Es heißt, dass wir um 20 Uhr fahren könnten, denn dann ginge es wohl auch ohne Stempel. Die Erlaubnis käme von oberster Stelle.
Unsere Reiseleiterin wird von manchen Zöllnern böse angemacht. Toli versteht etwas russisch. Das Mädchen ist so verstört, dass sie kaum mehr etwas mit uns redet. Die Zeit ist nun wieder um eine Stunde vorgestellt und um halb acht Uhr bekommen wir die Erlaubnis zum Wegfahren.
Hans-Peter kann im Schnitt kaum schneller als 54 km fahren. Die Straße hat tiefe Schlaglöcher und so sehen wir die Sonne untergehen. Um Mitternacht halten wir vor einem Gasthaus. Es ist sehr sauber. Wir können es kaum glauben, dass die Familie uns ein Essen mit Salat, Suppe und Fleisch zubereitet. Es schmeckt köstlich und wir bedanken uns bei den netten Menschen herzlich. Das wäre uns in Deutschland nicht passiert. Wir fahren weiter, schlafen so wie es geht und erreichen gegen 5 Uhr das Hotel. Hier werden wir erwartet und zu unseren Zimmern geleitet. Schnell verschwindet jeder in sein Bett, endlich die Glieder strecken und Ruhe haben.
18.5. Taras - Bishkek
Wir fahren nach einem guten Frühstück um 12 Uhr los. Steppe…, dann taucht das Tien-Shan-Gebirge zu unserer Rechten auf. Es begleitet uns. Die Fahrt ist gut. Ich schlafe viel, weil ich sehr früh wach geworden bin. Die Berge sind etwas verborgen in den Wolken. Das große Hotel ist gut eingerichtet, hat einen Pool, vielleicht kann man ja schwimmen. Das Abendessen ist international, aber es mundet uns bestens, nach all den Spießen und orientalischen Sachen.
19.5. Bishkek
Irina, unsere neue, junge Reiseleiterin, ist Klasse. Sie erzählt viel und heute Morgen geht es in die Berge. Früh um 6 stand ich auf meinem Balkon und betrachtete diese von der Sonne angestrahlten Schneeberge. Die roten und blauen Häuser bilden einen guten Vordergrund. Die Sonne wärmt schon.
Mit dem Bus fahren wir in die Berge, um bei einer kleinen Wanderung, die immer dem Fluss bergauf folgt, die Natur zu genießen. Den Nachmittag verbringen wir Frauen am Pool und ich natürlich gleich ins Wasser zum Schwimmen. Nachher erfahre ich, dass man das noch nicht hätte tun sollen, da es noch eine zu starke Konzentration von Chemikalien im Pool habe. Aber auch die anderen lassen sich nicht abhalten, sich abzukühlen. Herrlich, wir haben Ferien!!!
20.5.
Los geht es mit dem Bus bei strahlendem Sonnenschein und tiefblauen Himmel an den Issyk-Kul-See. Unterwegs bei einem alten Turm nehme ich das Landschaftsbild dieser Weite in mich auf. Es ist gigantisch, wie die Berge mit ihren Gletschern uns begleiten. Ich erfahre, im wahrsten Sinne des Wortes, zum ersten Mal, wie groß und verschiedenartig unsere Erde ist. Auf den Feldern arbeiten die Menschen mit einfachen Hilfsmitteln, Tierherden werden von berittenen Hirten und Hunden bewacht. Ab und zu kleine Häuser mit Gemüsegärten und Obstbäumen. Pappeln begleiten als Alleen unseren Weg. Die Berge werden uns noch tausende von Kilometern begleiten sagt Hans-Peter.
Nach 4 Stunden auf einer holprigen mit Schlaglöchern versehenen Straße sehen wir den tiefblauen, türkisfarbenen See aufleuchten. Und wenig später stehen wir an seinem Ufer. Der Weg zu unserem eigentlichen Ziel wäre noch zu weit und bei dieser Straße benötigten wir dafür noch Stunden. Der See ist zehnmal so groß wie unser Bodensee und er ist salzig, hat keinen Abfluss, das Wasser verdunstet und lässt das Salz zurück. Ein kleines Meer. Schneckenhäuser liegen am Strand und die Berge leuchten über dem See wie eine Fata Morgana, von Horizont zu Horizont. Hans nimmt wagemutig ein kurzes Bad, das Wasser ist nicht so kalt aber es geht ein sehr frischer Wind. Wir begnügen uns, mit den Füßen in das Wasser zu gehen. Wenn wir uns umdrehen, sehen wir niedrigere Berge, nicht ganz so hoch aber sie sind begrünt und geben einen schönen Kontrast zu den Bergriesen mit ihren weißen Flächen.
Am Straßenrand haben wir Fische gekauft und wir sättigen uns bei einem üppigen Picknick mit Rotwein, Tomaten, Gurken, Käse, Wurst, dem obligatorischen Knoblauch, den Waltrun bei jedem Picknick mit viel Liebe und Geschick so klein schneidet, dass sich das Olivenöl, welches Hans-Peter aus Andalusien, wo er jeden Olivenbaum und den Bauern persönlich kennt, mitgebracht hat. Wir sind süchtig danach… Ich schaue und schaue, scanne die Bilder in meinen Kopf, keines möchte ich davon missen. Auf der Rückfahrt noch eine kurze Pause. Wir bestimmen Blumen und finden Steine. Ina hat einen kleinen schwarzen mit einem feinen Gesicht gefunden.
21.5.
Heute sehr schlechtes Wetter. Es regnet. Wir haben Ruhetag. Mit Taxis fahren wir zum Markt. Schlendern darüber, kaufen Kleinigkeiten und fahren dann zu dritt in einem abenteuerlichen Taxi, das fast auf den Felgen fährt, weiter zu einem anderen Markt, dort, so sagt Irina gab es schon des Öfteren Unruhen. Buntes Gedränge. Ab zu und zu ein Guss von oben, weil sich das Regenwasser in den Folien der Abdeckungen gesammelt hat. Wir finden schöne Beute, die wir in einem besseren Taxi ins Hotel bringen.
23.5.
Früh verlassen wir das Quartier, denn heute fahren wir in Richtung chinesischer Grenze nach Almaty. Bei der Ankunft fängt es an zu regnen. Hier begrüßt uns Linus unser deutscher Reiseleiter für China. Wir scheuen den Regen nicht und laufen zu einer russisch-orthodoxen Kirche, schön im Zuckerbäckerstil aufgebaut. Dort findet ein feierlicher Pfingst-Gottesdienst statt. Die Menschen sind feierlich bekleidet. Patriarch Alexander, soviel verstehen wir, leitet die Liturgie. Ein Chor und Solisten, wunderbare Männerstimmen, begleiten musikalisch das Ganze. Fast 2 Stunden nehmen wir diese Feierlichkeit stehend in uns auf.
24.5.
Nach einem beeindruckenden Fahrtag erreichen wir Zarkent, die letzte Kleinstadt vor der chinesischen Grenze. Hier übernachten wir fast familiär in kleinen Zweibettzimmern. Bekommen sehr früh am Morgen das liebevoll gerichtete Frühstück ins Zimmer serviert und los geht es zur Grenze, auf nach China. Was wird uns wohl erwarten? Nach gut einer Stunde erreichen wir die erste Sperre. Drei Busse stehen schon da. Wir beobachten die anderen, die an der Straße frühstücken. Sie steigen aus Schlafbussen aus, strecken sich, spucken auf den Boden und schütteln sich. Und dann hebt sich die erste Schranke. Beim nächsten Halt, so teilt uns Linus mit, müssen wir unser ganzes Gepäck aus dem Bus nehmen und zu Fuß weitergehen. Damit habe ich nicht gerechnet. Die Taschen haben sich um eine vermehrt, die Einkaufstasche. Aber alle helfen mit, denn auch die Picknick-Sachen müssen mit. Für uns Fußvolk geht alles glatt. Die Koffer und Taschen werden zwar alle durchwühlt, den PC und den Pass muss ich abgeben. Zum Glück geht es den anderen auch so. Nach einer Weile bringen sie alles zurück. Bis auf Gabrieles. Inzwischen ist es Mittag geworden. Der Zoll schließt und unser Bus musste parkieren. Nichts geht. Wir stehen in China und warten. Durch das Fenster sehen wir den Bus, aber auch Hans-Peter darf nicht hin. Die Zeit vergeht. Eine kleine Schlägerei entwickelt sich unter den Taxifahrern aber nach kurzer Zeit, nachdem gleich auch Militär anrückte, ist der Spuk vorbei und der Streithahn hat sich beruhigt. Frauen schleppen Kartons um Kartons. Es sind uigurische Frauen, die frische Ware ins Land bringen wollen. Darunter große, schwere, gefüllt mit Bonbons. Ich bekomme einen, wahrscheinlich schaute ich so hungrig.
Langsam wird es ruhiger, weniger Menschen kommen durch den Zoll. Es tut sich nichts. Endlich, Hans-Peter kann den Bus wegfahren, denn dieser muss noch desinfiziert werden und durch den Zoll. Wir gehen mittlerweile mit Che, unserem chinesischem Führer und Linus nach draußen auf die Straße. An einer Straßenkreuzung sollen wir warten. „Der Auszug aus Jerusalem“, Jeder zieht, schiebt, trägt seine und andere Lasten dorthin. Sofort setzen sich zwei kleine Wagen, die Getränke anbieten, in unsere Richtung in Bewegung. Ja, das Wasser tut gut, auch das Bier. Da sehen wir auf dem Zollhof unseren Bus, er fährt, nein er fährt nicht, er parkt ein. Es ist mittlerweile 17 oder 18 Uhr. Das wird heute nichts mehr mit dem Bus. Linus hat bereits die Agentur angerufen um einen „Chinesenbus“ zu organisieren, der uns in unser nächstes Quartier bringen wird.
Da wir alle hungrig sind, sucht Linus mit uns ein Restaurant. Unsere Koffer werden an der Straßenecke von Toli, Wolfram und Che bewacht. Das erste Haus ist Linus nicht geheuer, die Küche, die er gesehen hat, wohl nicht sehr vertrauenswürdig. So geht es weiter. Ein Auto hält an und sagt, dass wir die Straße hinunter gehen sollten, dort sei ein gutes Restaurant. So ist es, die Herren im Auto waren Polizisten. Linus muss mit zur Dienststelle, um uns dort anzumelden. Der Bus, mit dem wir weiterfahren, ist klein und eng, nicht so gut gefedert. Aber wir haben Glück, denn es ist eine neue Autobahn und der Fahrer ist sehr gut. Unser Gepäck und alle Crewmitglieder sind wieder an Bord. Unser „Baby“ steht nun einsam auf dem Zollhof. Toli, unserem Mechaniker, bricht es schier das Herz.
Im Hotel wird kräftig gebaut, doch das stört uns nicht, tragen uns doch die Hotelangestellten die Koffer in den zweiten Stock.
25.5.
Unsere Crew, bis auf Che und Linus, ist schon unterwegs zum „Baby“, als wir zum Frühstück erscheinen. Monika kommt mir mit zwei Polizisten entgegen, sie suchen Linus als Übersetzter. Monika war am Morgen auf die Straße gegangen, um sich ein wenig umzusehen. Kaum war sie ein paar hundert Meter gegangen, stiegen aus einem Auto zwei Männer aus, die sie als äußerst nett bezeichnete und die sie auch fragte, ob sie sie nicht fotografieren dürfe, bis ihr ein englisch sprechender Herr erklärte, dass dies Polizisten seien. Sie wurde gebeten, ins Auto zu steigen, was sie jedoch nur tat, als der nette Herr bereit war auch miteinzusteigen, denn ihn verstand sie. So wurde sie die paar Meter im Polizeiauto zurück gebracht.
Mittlerweile ist klar, dass es heute mit dem Bus nicht mehr klappen wird. Für ihn ist noch TÜV angesagt, für die Fahrer eine Fahrprüfung, ein chinesisches Nummernschild, chinesische Führerscheine. Die Zeit läuft und läuft…
Wir versorgen uns in 1 ½ Stunden mit Geld. Der Papierkrieg in der Bank ist unglaublich. Die Menschen warten sehr lange, bis sie an der Reihe sind. Und nun wollen wir einen Spaziergang zum Park machen. Wir kommen nicht weit. Nach ca. 600 Metern werden wir von der Polizei angehalten. Wir haben auch bemerkt, dass wir aus schwarzen Autos beobachtet werden. Mehrere Fahrzeuge bewachen uns. Linus muss angeben, was wir hier machen. Nach längerem Hin und Her bekommt er ein Papier, mit dem wir in den Park gehen dürfen. Also laufen wir. Aber nach ca. 400 Metern wieder Polizei. Hin und Her. Das Ende ist, dass die Polizei uns Taxis ruft, die uns zum Hotel zurückbringen, mit der Auflage, dass wir uns nur mit einem Radius von ca. 200 m Umkreis vom Hotel aufhalten können. Es sei alles nur zu unserem Schutz.
Wir verlassen Yinning und fahren mit unserem neuen Bus zum Sairam-See. Der Fahrer hat wohl auch hier übernachtet und wir hoffen, dass wir das „Baby“ heute Abend wiedersehen werden. Zunächst ist es eine gute Fahrbahn. Aber die Straße wird zur Autobahn umgebaut und das bedeutet, schlechter Straßenzustand. LKW an LKW. Es geht bergauf. Wir passieren ungesicherte steile Geröllhalden, die jederzeit Steine auf die Straße werfen können. Wir sehen Frauen und Männer große Steine schleppen und auf Lastwagen hieven. Schwerstarbeit, billigstes Material. Überhaupt ist hier viel kleine Handarbeit mit sehr vielen Menschen. Nach einer Kurve, ein gigantischer Anblick. Die Autobahn wird einst in ca. 500 m Höhe liegen. Pfeiler und Brückenteile überspannen schon hier das Tal. Das hätte Peter interessiert. Mir kommt es vor wie der Turmbau zu Babel. Foto-Stopp. Hoffentlich übersteht diese Straße einmal die kalten Winter. Unser Fahrer bringt uns zuerst zum See.
Ganz andere Aussichten. Die Berge und die Wiesen - alles spiegelt sich in diesem blauen See. Unser Hotel liegt auf 2.000 Meter Höhe und je, es so kalt. Das Haus unbeheizt, erst aus dem Winterschlaf erwacht, wir sind die ersten Gäste auch die Jurten der Nomaden sind noch nicht aufgeschlagen. Beim Nachtessen ist uns kalt und in der Nacht ziehe ich alles an, was wärmt.
26.5.
Die Sonne wärmt. Nach dem Frühstück kann, wer Lust hat, Landeskunde und Sprachunterricht mit Linus auf der Terrasse genießen. Dann machen sich ein paar mit ihm auf den Weg zu einer kleinen Bergtour. So viele Bergblumen, die hier sprießen und uns Freude bringen! Auf dem zweiten Gipfel dann liegt uns der See mit seinen Spiegelungen zu Füßen. „Gucken, gucken, gucken.“ Wir überqueren kleine Schneefelder, sehen den Nomaden beim Aufbau der Jurten zu, fotografieren ein Hochzeitspaar am See und laufen zurück. „Der Bus ist unterwegs“. Wir erwarten ihn sehnsüchtig, natürlich nicht nur ihn, sondern auch die Crew. Da kommt er! Alle sind wieder zusammen. Es ist immer noch kalt am Abend, wenn die Sonne untergegangen ist. Typische chinesische Küche. Damit hat mein Magen Probleme. Hoffentlich wird es nicht schlimmer. Es gibt kein Brot. Ich esse gerne warm am Morgen, aber nicht so scharf. Auch das Fett bekommt mir nicht so. Ich bin zuversichtlich, dass ich gesund bleibe.
27.5.
Wir fahren nach Urumqi. Nichts Außergewöhnliches. Im Bus sitzen und schauen. Durch Kohleabbaugebiete, Industrieanlagen geht die Fahrt, aber auch durch begrüntes Land.
An der größten Windkraftanlage Chinas machen wir eine Fotopause. Auch hier hat sich diese Art der Stromgewinnung verbreitet, in einem Ausmaß wie wir es uns in unserem Schwarzwald nicht vorstellen können.
Den Abend verbringen wir zunächst bei gutem Essen außerhalb des Hotels und dann erforschen wir den großen Platz, auf dem es von Menschen nur so wimmelt. Garküche reiht sich an Garküche. Alle Plätze sind besetzt, es herrscht ein Stimmengewirr und es riecht nach allen Essenszubereitungen. Man glaubt weit auf dem Land zu sein aber die Städte hier überschreiten in aller Regel die Millionengrenze.
28.5.
Am Morgen ist ein Spaziergang früh zum Park angesagt. Frühsport, Chi Gong. In Gruppen und mit Musik sind alle Altersklassen dabei. Manche tragen gleiche Kostüme. Andere machen alleine Sport, singen dabei, oder sie üben sich im Reden. Manche trainieren das Rückwärtsgehen, wieder andere springen in Froschhaltung die Treppe hinauf. Wir kommen zum „Turm der ewigen Liebe“ Die Frischverliebten kommen hierher und schließen kleine Schlösser mit ihren Namen in die Absperrung. Von hier hat man einen guten Blick auf einen Teil der Stadt. Eine moderne Industriestadt voller Leben.
Wir besichtigen einen buddhistischen Tempel, Linus erzählt uns vom Buddhismus. Auf der Straße tobt das Leben. Zwei lassen sich die Haare schneiden. Wir anderen essen in der Garküche Nudelsuppe, scharf, gut. Ein kleines dreijähriges Mädchen nimmt uns ganz in Beschlag.
Beim Essen am Abend teile ich mir eine Portion frisch gebratenes Lamm. Wir können sagen, welches Teil wir gerne wollen. Es schmeckt wunderbar. Wir vergnügen uns und genießen es hier zu sein. Ein Deutscher, der hier seit zwei Jahren unterrichtet, ist glücklich, dass er wieder einmal Deutsch reden kann.
Inge Stagneth
Juni 6th, 2010
Ihr Chinareisende!
Es gibt immer irgendjemanden, der igendwas untersucht. In diesem Falle die „Feriengarderobe“ der Europäer. Ja, und just zu Inge Stagneths Bericht aus Samarkand (der Konzertbesuch am 13.) dann an diesem Wochenende folgender Artikel in der BZ:
http://www.badische-zeitung.de/nachrichten/panorama/briten-sind-im-urlaub-am-schlechtesten-angezogen
Passt doch, oder?
Weiterhin viel Spaß und Genuss bei dieser Reise!
Irene Heitz