Im Reisebus von Freiburg nach Shanghai – auf der Seidenstraße um die halbe Welt
20Jul/10Off

Hans-Peter Christoph: fast am Ziel

Nun findet die Reise nach Shanghai am kommenden Freitag definitiv ihr Ende. Der Bus ist in Griechenland eingetroffen, wir verbrachten noch zwei Tage am Meer und erholten uns ein wenig von der Anstrengung der Rückreise und den Eindrücken der vergangenen, nunmehr fast einhundert Tage. Am Mittwoch gehen wir auf das Schiff nach Venedig und ab Freitagmorgen fahren wir die letzten 670 der rund 30.500 Straßenkilometer an den Pazifischen Ozean und zurück.  Zeit, ein kleines Resümee zu ziehen.

Was war anders?

Die Route war ja weitgehend die gleiche, zumindest bis Xi'an. Denn während wir vor zwei Jahren von dort nach Norden, nach Peking fuhren, bogen wir dieses Mal nach Süden ab, nach Shanghai. Dadurch haben wir gegen Ende der Reise natürlich ein ganz anderes China erlebt als vor zwei Jahren. Wieder stand die Reise unter einem guten Stern.

Anders war dieses Mal, dass ich im Grunde wusste, was mich auf der Strecke erwartete und ich dadurch etwas entspannter an vieles herangehen konnte. Ich kannte die Straßen, die meisten Hotels, wusste, was an den Grenzen los war und was man tun und lassen musste. Ich wusste, wann es Erholungsphasen geben und wo es stressig werden würde, kannte den Verkehr in Iran und China, wusste, wie man in Kasachstan und in Usbekistan Auto fuhr und dass jeder Blickkontakt mit Polizisten zu vermeiden war, wenn man nicht angehalten werden wollte, denn Polizei bedeutet Ärger, sinnlos vertane Zeit und meist Bakschisch oder Strafe, egal wo und egal für was. Ich wusste, wann die Aufnahmefähigkeit erschöpft und wo Einhalt geboten werden musste vor weiteren Besichtigungen. Mir war klar, dass man sich gelegentlich ein bisschen auf die Nerven gehen würde, aber auch, dass sich das wieder legt, weil wir erwachsene Menschen sind und ein gemeinsames Ziel haben. Ich freute mich auf die großartigen Landschaften, auf die Städte und auf die leiblichen Genüsse, die uns erwarteten! Dieses Mal konnte ich es genießen, das Essen entlang der Strecke, von den Vorspeisen- und Lammspezialitäten der Türkei angefangen über die sagenhaften, mit viel Fleisch, Gemüse und ohne künstliche Aromen gekochten Suppen Zentralasiens und ihre tausenderlei Spieße bis hin zu den Garküchen in den Straßen und Basaren Chinas, wo es auch Dinge zu probieren gibt, die in Deutschland nur wenige genießende Abnehmer finden würden. Während ich 2008 unterwegs vor lauter Anspannung, Druck und Sorge gute fünf Kilo abgenommen hatte, ist in diesem Punkt nun Disziplin und Maßhalten gefordert. Ja, auch das war anders als bei der ersten Reise nach China.

Anders waren natürlich die Menschen, die mit uns unterwegs waren, denn egal wohin wir fahren, das Spannendste ist immer, wie die Menschen miteinander zurechtkommen, ob es Animositäten gibt, wie sie Einfluss auf die Stimmung nehmen und wie eine Gruppe am Ende zusammengewachsen ist. Da gab es Vorlieben im Umgang miteinander, spontane Sympathien, manche mussten sich zusammenraufen, andere gingen sich kurz aus dem Weg und saßen doch bald schon wieder beisammen - ganz wie im richtigen Leben, und genauso wie vor zwei Jahren. Anders als damals waren dieses Mal eindeutig mehr Frauen als Männer dabei, bei der ersten Chinareise war das Geschlechterverhältnis ziemlich ausgeglichen gewesen. Anders war aber auch die Erwartungshaltung nach dem Erfolg von Peking. Es schien selbstverständlich zu sein, dass alles klappen würde, während ich sehr genau wusste, dass es immer noch ein Abenteuer war und wo die Gefahren lauerten. Im Grunde ging ich auch davon aus, dass es wir durchkommen würden, sonst wäre ich dieses Risiko ja nicht ein zweites Mal eingegangen. Ja, es ging alles glatt, man arrangierte sich in jeder Hinsicht, mit manchen Hotels, auch mit den Grenzübertritten, die sich dieses Mal teilweise überlang hinzogen, ich mag gar nicht mehr daran denken. Da gab es überhaupt kein Gemecker, trotz stunden-, ja tagelangen Wartens, viel länger als bei der ersten Reise. Alle legten eine stoische Geduld und sogar einen überraschenden Humor an den Tag.

Wie 2008 war es auch dieses Mal das Schönste für mich zu sehen, wie sich alle bemühten, miteinander klar zu kommen, dass man sich manche Eigenheiten und Schrullen verzieh, darüber lachen konnte oder sie sogar lieb gewann, denn sie sind es, die Menschen liebenswert machen, nicht nur das Großartige, Schöne, Geistvolle oder wie man sich darstellt, sondern auch die Schwächen, die auf einer solch langen Reise unweigerlich zutage treten und die den Menschen genauso ausmachen wie seine Stärken. Ja, darüber freue ich mich am meisten, dass wir wieder so gut miteinander klar gekommen sind! Wie Heidi Bisang es in ihrem Radiointerview ausdrückte: "Wir sind zusammengewachsen wie eine Familie". Und diese Familie bestand aus Waltrun, Ute und Tibor, Heidi Bisang und Heidy Ludewig, Uli, Frans und Verena, Sigrid und Klaus, Wolfram, Roswitha, Magdalena, Ina Varga und Ina Jander, Herbert, Alain, Lieni, Rolf, Gabriele, Hans, Dominique, Birgit, Margarethe, Stefan, Doli, Jürgen, Monika, Verena, Inge, Barbara und mir.

Danke Euch allen, die Ihr dabei gewesen seid! Ihr wart, nein, Ihr seid eine tolle Gruppe!

Danken möchte ich aber auch denjenigen, die letztendlich dies alles ermöglicht haben, es war schön zu sehen, wie da ein Rädchen ins andere griff:

  • Meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Freiburg: Doris, Karin, Nancy und Uli. Alexander, Christian, Frank, Michael und Michael, Reinhard, Rolf und der "große" Stefan. Sie alle, die im Vorfeld und während der Reise das Avantischiff auf Kurs hielten - ohne Euer Verantwortungsbewusstsein, Euren Einsatz und Euer Vermögen, selbstständig zu denken und zu arbeiten, wäre diese Reise kaum zu realisieren gewesen.
  • Ina, die die Vorbereitung der immensen Reisedetails innehatte und mir auch unterwegs zur Seite stand.
  • Stefan Reif, der uns als Fahrer die erste Etappe bis Taschkent ruhig, bravourös und meisterhaft chauffierte und bei dem ich - der schlechteste Beifahrer der Welt - in seligen Schlummer fallen konnte.
  • Wolfram Goslich, der Stefan als Chauffeur in Taschkent ablöste und ihn bis Shanghai und zurück nach Teheran souverän ersetzte und darüber hinaus mit vielen Blogbeiträgen und Fotos die Reise unvergessen machte.
  • Alain Lamy, der schon in Peking als Mensch und Fahrer dabei war und dem ich jederzeit vertrauensvoll das Ruder übergeben kann.
  • Der gesamten Setra-Mannschaft, insbesondere dem früheren Chef Herrn Staib und seinem Nachfolger Herrn Holder, der Vertriebs-, Service- und Presseabteilung, Herrn Friedrich, Herrn Mittnacht, Herrn Winkler, Herrn Nur, Herrn Engelhart und Herrn Sührig für ihre großartige Unterstützung des Projekts - und Herrn Dieter Kuckluck für seine Vorarbeit!
  • Dem Setra-Mechatroniker "Doli" Anatoli Reklin, der nun schon zum zweiten Male eine große menschliche Bereicherung war, den Bus fotografisch dokumentierte wie kein Zweiter und uns die Sicherheit gab, dass wir im Falle des Falles erstklassige Hilfe gehabt hätten.
  • Unseren Reisebegleitern Reza, Murat, Sergej und Irina, Linus, Che, Tschü, Joe, Liu und Volker, die uns ihre Heimat oder Wahlheimat nahegebracht haben.
  • Sigrid Hofmaier und Christian Seel für die Einrichtung und laufende Aktualisierung des Blogs.
  • Allen nicht Erwähnten, die uns geholfen und das Projekt gefördert haben.
  • Michael, Werner, Elisabeth und Anne, weil sie mich immer über den Gesundheitszustand unserer Eltern auf dem Laufenden hielten,
  • Lea, Jonas, Nicolas und Annika für ihr Interesse an dem, was ihr Vater so tut.
  • Der FWTM mit Herrn Dallmann, Frau Horstkötter, Frau Motschall und allen anderen für die Unterstützung im Vorfeld und die Betreuung auf der Expo in Shanghai.
  • Dem forumandersreisen, Baikal Express und china-by-bike.
  • Allen Avanti-"Fans"
  • Euch allen, die Ihr uns am Bildschirm, in Gedanken und Kommentaren begleitet habt.

Ihnen und Euch allen noch einmal einen ganz herzlichen Dank!

Hans-Peter Christoph

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20Jul/10Off

Inge Stagneth: Dogubayazit – Katarini

Wir finden fast problemlos unser Hotel, die erste Straße nehmen die in den Ort führt, endet mit einer Sperrung. Wir nehmen zwei junge Männer auf, die Alain den Weg weisen sollen.  Doch für sie ist das Mitfahren im Bus das Wichtigste. Sie können nicht einschätzen, welche Straße der große, ausladende Bus fahren kann. Außerdem hat sich das Stadtbild seit unserem letzten Aufenthalt entscheidend verändert. Sämtliche Straßen zum Hotel sind aufgegraben und bekommen einen neuen Belag. Wir landen in einer engen Straße und müssen links abbiegen. Ein Taxi steht im Weg, doch bald schon kommt der Fahrer und fährt dieses weg. In der Kurve sind zwei Rinnen im Weg, die vom Dach des Hauses in die Straße ragen. Die beiden Mitfahrer staunen nicht schlecht, als Alain die Spiegel ganz einfach einklappt. Im Hotel Nuh sind wir schon fast daheim. Wir treffen uns zum Teetrinken  und gehen in einen auf die noch fast im Rohbau befindliche Terrasse. Der Ararat ist in Wolken, schon bald regnet es ziemlich heftig. Der Berg hat kräftig Schnee verloren. Der kleine Ararat hat keinen Schneebelag mehr. Es ist großartig, wie die Menschen hier bestrebt sind, die Stadt zu sanieren. Wir genießen ein frühes Abendessen, treffen uns noch zu einem Bier in der Halle. Hier erfahre ich, dass der Scheff eine SMS geschrieben hat: Wir sollen morgen früh losfahren sollen, denn es liegen ca. 900 km vor uns bis Amasya. Fünf Uhr! Abfahrt. Frühstück im Bus. Ina und Verena gehen Proviant einkaufen.

Ein schöner Morgen begrüßt uns. Zwar will der Ararat sich nicht ganz zeigen doch dies tut unserer guten Laune keinen Abbruch. Wir kaufen noch frisches Brot fürs Frühstück. Ina macht Kaffee. Und kein Hotel der Welt kann das bieten, was wir hier haben. Wir frühstücken und draußen zieht der junge Morgen heran, die Sonne geht auf. Die Landschaft ist so schön, dass wir keinen Augenblick davon missen möchten. Der Tisch ist reich gedeckt mit Wurst, frischem Käse, Tomaten, Gurke, Marmelade, Butter, Oliven. Die Farbe Gold begleitet uns, gemischt mit grünen Tönen, die manchmal goldgrün aufleuchten. Wir fahren an einem Fluss entlang, hinauf in die Berge. Das Wasser leuchtet türkis, blau und bräunlich. Die Felsen stehen einmal eng, dann weiter. Es ist einsam hier. Das wilde Kurdistan. Kleine Dörfer grüßen mit ihren Minaretten. Wir staunen und schauen.

Wir kommen zügig voran. Alain fährt uns sicher und gut. Um 18.30 Uhr sind wir in unserem Hotel in Amasya. Ein wunderschönes kleines Hotel, liebevoll eingerichtet, so gemütlich und einladend. Levent, der charmante Chef heißt uns herzlich willkommen und ist ein wenig enttäuscht, dass Hans-Peter nicht dabei ist. Er organisiert den Shuttle, der uns zu einem Restaurant auf den Berg bringt, in welchem jeder gewesen sein muss, wenn er Amasya besucht hat. Unser Fahrer erzählt, dass er auf Besuch ist bei seinem Vater, dem das Restaurant gehört. Er ist Professor für Wirtschaft, gibt Seminare in Frankfurt und lebt in Kanada.

Wir können verstehen, dass man hier gewesen sein muss, als wir  auf der Terrasse sitzen. Die 7.500 Jahre alte Stadt liegt am Fluss eingeschlossen von den Bergen. Gegenüber von uns, auf dem Berg eine mächtige Burg mit der türkischen Flagge. Darunter eine steile Felswand, in welche die Königsgräber persischer Könige eingegraben sind. Vierzehn Kulturen hat die Stadt in ihrer langen Geschichte erlebt. Es wird langsam dunkel und nacheinander gehen die Lichter an. Kein störendes, buntes Neonlicht, sondern ein mattes weiches Licht taucht die Stadt, die Burg und die Gräber in einen Traum. Nach dem Essen fährt der Professor uns auf einem ganz engen, steilen Sträßchen zurück ins Hotel. Unterwegs haben wir noch eine etwas aufregende Begegnung mit einem entgegenkommenden Auto...

Ziel: Istanbul

Gutes Frühstück auf der Terrasse. Abfahrt 8.30 Uhr.

Alle an Bord sind gut gelaunt und ausgeschlafen. Wieder eine Bilderbuchlandschaft. Hügel begrünt bis zu den Gipfeln. Bergwiesen mit blaulila Blumen, gelben Königskerzen. Herrlicher Wald, Wald, Wald. Pause auf einer guten Raststätte. Gestärkt geht es wieder auf die Autobahn, die viele Baustellen hat. Diese zwingen uns, langsam zu fahren. Ina strickt das dritte Paar Socken mit einer wunderbar bunten Wolle. Hochhäuser künden davon, dass wir bald Istanbul erreichen. Wir überqueren den Bosporus, die Grenze von Asien nach Europa. Ina hat ihren Platz neben Alain eingenommen und führt ihn nach der Karte zur Hagia Sophia, wo unser Hotel ist. Da haben wir uns plötzlich verfahren, haben die rechte, statt der linken Abzweigung genommen und sind auf einer kleinen Straße gelandet, die durch ein engeres Wohngebiet führt. Geht es an der nächsten Kreuzung nach rechts oder links, damit wir auf die Galata Brücke kommen? Alain  fährt den Bus ganz nah an den Bordstein und hält an. Ina steigt aus und fragt zunächst den Polizisten auf Englisch nach den Weg, doch er geht der Antwort aus dem Weg und überquert die Straße. Es bildet sich ein kleiner Stau. Da kommt die Rettung in Form eines Taxifahrers, der Englisch kann. Er erklärt sich bereit, mit Ina zusammen im Taxi vor dem Bus herzufahren, um ihm den Weg zu  zeigen. Vorsichtshalber notieren wir die Nummer des Taxis. Da ein Schild: Durchfahrt nur bis 3.70 Meter. Der Bus ist 3.90 Meter hoch. Der Taxifahrer fährt nach rechts, steigt aus seinem Wagen, läuft unter die Brücke, schaut und bedeutet Alain zu fahren. Alain sagt: „Kopf einziehen“ und wir sind durch.

Sehr freundliche Aufnahme im Hotel, Zimmer beziehen und dann ziehen wir vier los, zum Bazar, an der blauen Moschee vorbei, baden wieder in der Menge. Erstehen in einem Tausend-und-eine-Nacht-Lädchen drei Glaslampen, handgefertigt bei einem liebenswürdigen lustigen Mann, der uns ein gutes Lokal am Ende des Bazars empfiehlt. Wir sitzen oben auf der Terrasse mit Blick auf die große Moschee. Auf dem Weg zum Hotel setzen wir uns in den Park zum Leuteschauen. Wir könnten hierbleiben!

Heute letzte außereuropäische Ausreise, Ziel: Katarini

Frühstück auf der Terrasse. 9.00 Uhr Abfahrt. Ina führt uns wieder auf der Hauptstraße, und zwar auf dem schnellsten Weg. Autobahn, Landstraße, Meer, viele, viele badende Menschen , die wir ein bisschen beneiden. Schneller Grenzübertritt. Auf den letzten Metern zu unserem Hotel steht Hans-Peter mitten auf der Straße, braungebrannt und stoppt den Bus. Freudige Begrüßung. Für ihn war es auch sehr aufregend, zu verfolgen, wie wir unterwegs waren. Lisa, die Führerin in Griechenland, ist mit ihrem Mann auch da, und beim Abendessen erzählen wir unsere Erlebnisse und begießen unsere heile Ankunft.

Meer, Meer, Meer, wir baden, faulenzen, essen, erzählen… Der Bus wird von den beiden Männern erst mal außen gründlich sauber gemacht. Die dafür erforderlichen Utensilien hat Alain aus Deutschland mitgebracht und musste am Flugplatz in Almaty erklären, was er denn damit vorhätte. Er antwortete wahrheitsgemäß, er wolle damit ein Auto saubermachen. Daraufhin meinte der Zöllner: In Kasachstan werden keine Autos saubergemacht. Am Abend führt uns Hans-Peter im Dorf in ein griechisches Restaurant, wo wir gut essen.

Heute ist nochmals Katarini angesagt: relaxen und träumen. Dann packen wir die Koffer aus, um und ein. Am Freitag sind wir wieder in Freiburg.

Inge Stagneth

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