Im Reisebus von Freiburg nach Shanghai – auf der Seidenstraße um die halbe Welt
24Jul/10Off

Frans & Verena de Baan: Medikamente für Ulan Bator

Während der rote Shanghai-Bus und seine HeldInnen gestern Abend mit eineinhalbstündiger Verspätung (1,5 Stunden auf 30.600 Kilometer: nicht schlecht!) wieder in Freiburg "gelandet" sind, erreicht uns ein Bericht von den Ex-Avanti-Shanghainesen Frans und Verena de Baan, die über eine spontane Hilfsaktion für Straßenkinder in Ulan Bator erzählen:

Von Shanghai aus reisen nur noch die „Medis“ gemeinsam weiter

In Shanghai trennen sich die Wege der Reisenden: Vier werden via Beijing und Ulan Bator mit der Transsib zurückreisen. Waltrun, eine der vier Transsib-Reisenden, erzählt von einem Mongolei-Reisebuch, in dem auch ein Projekt  einer Ärztin mit Straßenkindern in Ulan Bator beschrieben ist. Ihr wolle sie ihre nicht gebrauchten Reisemedikamente und Spritzen bringen. Im Gespräch kommt dann die Idee auf, dieser Aktion etwas Fleisch am Knochen zu verleihen und unter den Reisegenossen die vielen glücklicherweise nicht gebrauchten Reisemedikamente, das Verbandsmaterial und die Spritzen einzusammeln – eine beachtliche Menge!

Verena versucht, von Shanghai aus den direkten Kontakt zum Projekt zu finden, aber alles stellt sich ein bisschen komplizierter heraus als gedacht: Die im Buch angegebene Kontaktadresse ist eine Reiseagentur ohne ständiges Büropersonal. (Wir erfahren später, dass sie einem in der Mongolei lebenden Israeli - Ron -  gehört, der zusammen mit mongolischen Reiseleitern verschiedene Touren in der Mongolei anbietet).

Ulan Bator

Nach mehrmaligem erfolglosen Telefonieren müssen wir uns (d.h. die de Baans) entscheiden, ob wir wie geplant den Zwei-Tagesausflug über Schotterpisten nach dem 320 Kilometer entfernten Karakorum mitmachen oder aber Ulan Bator und dem Strassenkinderprojekt auf die Spur kommen.  Nach einem Rundgang durchs Museum wird uns die Entscheidung zum Verzicht leicht gemacht: Von Karakorum sind laut Beschrieb nicht einmal sichtbare Ruinen übrig, die wenigen gemachten Funde sind absolut unspektakulär.

Beim Durchstreifen der Stadt per Fahrrad entdecken wir den Charme Ulan Bators. Farbig gestrichene Holzhäuser und Gers (Jurten) ziehen sich die Hänge hoch. Die Farbkombinationen zwischen Dach und Fassade  sind häufig in Pastelltönen gemalt, mit gewagten Farbkombinationen, jeder Farbberater hätte seine wahre Freude daran! Diese Hangquartiere sind für Autos unpassierbar und erinnern an die Favelas in Südamerika – ohne Elendsviertel zu sein (so zumindest unsere Wahrnehmung):  Schuhe, Kleider und Einkaufstaschen der Bewohner deuten auf „untere bis gehobenere Mittelklasse“ hin.

Am folgenden Tag glückt dann endlich ein erstes Treffen mit den beiden Tour Operators Ron und Mrs. Sanada. Wie sind sie als Kontaktadresse in den Anhang des Reisebuchs gekommen? Mrs. Sanada erinnert sich: Ein paar Mal habe sie sozial interessierten Touristen das von Dr. Enkmaa geleitete Projekt mit Straßenkindern vorgestellt, um ihnen die Schattenseiten der Großstadtentwicklung aufzuzeigen, dabei sei auch einmal eine Deutsche mit dabei gewesen. Später hätten sie erfahren, dass ihre Agentur als Kontaktadresse im Buch erwähnt sei. Ron erzählt uns, dass Dr. Enkmaa bei der Polizei angestellt ist. Sie spreche nur mongolisch und sei im Moment auch noch mitten im Umzug. Wir werden uns zeitlich nach ihr richten müssen.

Ron stellt uns für den kommenden Tag eine seiner Mitarbeiterinnen als Dolmetscherin Mongolisch –Englisch zur Verfügung, die aber auch nur wenig Zeit hat und das geplante Interview zwischen zwei Reisegruppen „hineinquetschen“ muss.

Das Projekt „Straßenkinder“

Ulan Bator ist seit 1989 ständig gewachsen, sodass heute die Hälfte aller Mongolen in der Provinz (gleichzeitig auch Hauptstadt) leben. Rund eine Million Halbnomaden und Sesshafte versuchen hier, ein Stückchen vom Wohlstandskuchen abzubekommen. Unqualifizierte Arbeitsplätze sind kaum vorhanden, viele Mongolen bauen auf staatliche Unterstützung, welche ihnen bei Neuwahlen regelmässig versprochen wird. Gelegenheitshandel und Nichtstun bestimmen den Alltag vieler männlicher Einwohner Ulan Bators.  Das hat zum Verlust von Familientraditionen, zu Alkoholismus und Drogenkonsum geführt. Kinder wachsen orientierungslos auf, die bisherigen geschlechtsspezifisch arbeitsteiligen Gesellschaftsstrukturen können in der Stadt nicht mehr gelebt werden, neue sind noch nicht vorhanden. Das ist der Grund, weshalb viele Kinder von ihren Eltern ausgestoßen werden oder von zu Hause ausreißen. Die meisten überleben mit Bettelei und  Kleinkriminalität, mit den bekannten Folgen von  Prostitution und Drogensucht. Viele der Kinder haben sich Krankheiten auf der Strasse aufgelesen.

Auf Hilfe fremder Familien (Pflegefamilien) können die Kinder nicht zählen – so Dr. Enkmaa. Es gibt in Ulan Bator keine Tradition für „social responsability, everybody cares just for their own children“. Wenn die Kinder nicht rückgeführt werden können, werden Kinder ohne Familie in einem der 78 Waisenhäuser von Ulan Bator platziert, sofern es dort Platz hat – viele reißen jedoch aus und landen wieder im Zentrum.

Dr. Enkmaa bedauert, dass die Mongolei die Kinderrechtskonvention nicht unterzeichnet hat. Die Kinderrechte sind deshalb nicht einklagbar. So können bereits 12-Jährige zu Gefängnisstrafen verurteilt werden – je nach Schwere des Delikts. In diesem Umfeld ist dieses Straßenkinder-Projekt ein leuchtender Stern. Den Kindern und Jugendlichen soll geholfen werden, ohne sie zu verurteilen oder gar zu kriminalisieren.

Das Zentrum beherbergt momentan 54 Kinder und jugendliche Obdachlose, das jüngste Kind ist vier Jahre alt, das älteste 17 Jahre. Die von der Polizei auf der Strasse aufgegriffenen Kinder kommen ins Zentrum zur Abklärung (laut Dr. Enkmaa kommt durchschnittlich auf 70.000 Kinder ein Polizist, wie viele Kinder wirklich auf der Straße leben, ist eine Dunkelziffer).  Im Zentrum wird versucht, herauszufinden, zu welcher Familie die Kinder gehören, es gibt einen Gesundheitscheck, sie erhalten vorläufig Aufnahme und Nahrung. Kürzeste Aufenthaltsdauer ist vier Tage, die längste Aufenthaltsdauer ist heute auf ein Jahr beschränkt.

Als das Zentrum 1996 gegründet wurde, war es als Drehscheibe zur Rückführung in die Familie oder Überführung in ein Waisenhaus gedacht ohne längerfristige Aufenthaltsmöglichkeit. (Der monatlich zur Verfügung stehende Betrag von 35 Dollar fürs Zentrum richtet sich immer noch danach!) Diese kurze Aufenthaltsdauer hat sich in der Praxis  als unrealistisch herausgestellt. Vielfach war es den Kindern nicht zumutbar, zu den Eltern zurückzukehren (z.B. wegen körperlicher und/oder sexueller Gewalt) oder die Eltern waren verschwunden, hatten die Kinder vor die Tür gesetzt usw. Einige der Kinder reißen immer wieder von zu Hause aus und werden wieder und wieder von der Polizei aufgegriffen.

Heute wird versucht, mit den Eltern zusammenzuarbeiten und sie zu befähigen, dass sie sich den Kindern widmen können. So wird ihnen z. B. geholfen, sich in Ulan Bator registrieren zu lassen und damit ein Anrecht auf die staatliche Beihilfe (Wohnung, Schulung der Kinder, Nutzung von Arbeitsvermittlungsstellen, sporadische monetäre Auskehrungen durch die Regierung) zu bekommen.

Unsere Zeit mit Dr. Enkmaa ist sehr knapp, für Fragen unsererseits bleibt kaum Zeit. So haben wir nichts über die Schulung der Kinder in Erfahrung gebracht, die längerfristig hier sind. Dr. Enkmaa erwähnte nur, dass Mädchen Handarbeitstechniken lernen und Jungen lernen zu musizieren.

Von den anderthalb Stunden fürs Interview haben wir eine halbe Stunde Zeit reserviert, um  die Medikamente nach Gruppen zu sortieren und die Beipackzettel rudimentär ins Englische zu übersetzen und anschließend von der Dolmetscherin ins Mongolische zu übersetzen zu lassen (wir haben nur Erwachsenenmedizin dabei -  das erläutern wir immer wieder bei der Mengenangabe jedes einzelnen Medikamentes). Frau Enkmaa, die bisher eher kühl und distanziert erzählt hat, blüht jetzt auf. Sie ist in ihrem Element!

Nach dieser Tour de Force, (während Frans einen Beipackzettel ins Englische übersetzt, liest Verena bereits den nächsten, den sie auf englisch zusammenfasst und anschließend vorträgt usw.) haben wir Gelegenheit, die neuen Räume mit den Etagenbetten à la Jugendherberge der 50er Jahre zu besichtigen und den Kindern „Hallo“ zu sagen. Auffallend ist, dass nirgendswo persönliche Besitztümer der Kinder zu sehen sind, Kleiderkästen machen wir keine aus.  Eine Gruppe Jugendlicher ist dabei, die mongolische Geige zu lernen.

Draußen im Hof erleben wir eine seltsame Zeremonie mit: Alle Kinder reihen sich der Größe nach auf und singen ein Lied. Dies ist sicher zu Ehren der modisch gekleideten, weiß gepuderten Dame gedacht, die allen Kindern einen Sack Chips und einen Geldschein verteilt. Anschliessend werden noch ein paar Lieder gesungen, dann rauscht die Dame stöckelnd ohne Blickkontakt zu uns oder den Kindern ab. Der Chauffeur rei´ßt ihr den Wagenschlag auf und weg ist sie. Bei der Dame handele es sich um eine berühmte mongolische Schauspielerin, flüstert uns unsere Dolmetscherin zu. In der Mongolei sei es Brauch, wenn Angehörige verstorben sind, etwas für Kinder zu spenden. Kinder- und Tierseelen gälten als unschuldig und können so  für den Verstorbenen im Jenseits bitten (dies der Inhalt der Gesänge).

Das Straßenkinderprojekt hat uns beeindruckt. Danke, liebe Mitreisende für eure „Medis“ – sie werden an einem nützlichen Ort vernünftige Verwendung finden.

Verena & Frans de Braan

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20Jul/10Off

Hans-Peter Christoph: fast am Ziel

Nun findet die Reise nach Shanghai am kommenden Freitag definitiv ihr Ende. Der Bus ist in Griechenland eingetroffen, wir verbrachten noch zwei Tage am Meer und erholten uns ein wenig von der Anstrengung der Rückreise und den Eindrücken der vergangenen, nunmehr fast einhundert Tage. Am Mittwoch gehen wir auf das Schiff nach Venedig und ab Freitagmorgen fahren wir die letzten 670 der rund 30.500 Straßenkilometer an den Pazifischen Ozean und zurück.  Zeit, ein kleines Resümee zu ziehen.

Was war anders?

Die Route war ja weitgehend die gleiche, zumindest bis Xi'an. Denn während wir vor zwei Jahren von dort nach Norden, nach Peking fuhren, bogen wir dieses Mal nach Süden ab, nach Shanghai. Dadurch haben wir gegen Ende der Reise natürlich ein ganz anderes China erlebt als vor zwei Jahren. Wieder stand die Reise unter einem guten Stern.

Anders war dieses Mal, dass ich im Grunde wusste, was mich auf der Strecke erwartete und ich dadurch etwas entspannter an vieles herangehen konnte. Ich kannte die Straßen, die meisten Hotels, wusste, was an den Grenzen los war und was man tun und lassen musste. Ich wusste, wann es Erholungsphasen geben und wo es stressig werden würde, kannte den Verkehr in Iran und China, wusste, wie man in Kasachstan und in Usbekistan Auto fuhr und dass jeder Blickkontakt mit Polizisten zu vermeiden war, wenn man nicht angehalten werden wollte, denn Polizei bedeutet Ärger, sinnlos vertane Zeit und meist Bakschisch oder Strafe, egal wo und egal für was. Ich wusste, wann die Aufnahmefähigkeit erschöpft und wo Einhalt geboten werden musste vor weiteren Besichtigungen. Mir war klar, dass man sich gelegentlich ein bisschen auf die Nerven gehen würde, aber auch, dass sich das wieder legt, weil wir erwachsene Menschen sind und ein gemeinsames Ziel haben. Ich freute mich auf die großartigen Landschaften, auf die Städte und auf die leiblichen Genüsse, die uns erwarteten! Dieses Mal konnte ich es genießen, das Essen entlang der Strecke, von den Vorspeisen- und Lammspezialitäten der Türkei angefangen über die sagenhaften, mit viel Fleisch, Gemüse und ohne künstliche Aromen gekochten Suppen Zentralasiens und ihre tausenderlei Spieße bis hin zu den Garküchen in den Straßen und Basaren Chinas, wo es auch Dinge zu probieren gibt, die in Deutschland nur wenige genießende Abnehmer finden würden. Während ich 2008 unterwegs vor lauter Anspannung, Druck und Sorge gute fünf Kilo abgenommen hatte, ist in diesem Punkt nun Disziplin und Maßhalten gefordert. Ja, auch das war anders als bei der ersten Reise nach China.

Anders waren natürlich die Menschen, die mit uns unterwegs waren, denn egal wohin wir fahren, das Spannendste ist immer, wie die Menschen miteinander zurechtkommen, ob es Animositäten gibt, wie sie Einfluss auf die Stimmung nehmen und wie eine Gruppe am Ende zusammengewachsen ist. Da gab es Vorlieben im Umgang miteinander, spontane Sympathien, manche mussten sich zusammenraufen, andere gingen sich kurz aus dem Weg und saßen doch bald schon wieder beisammen - ganz wie im richtigen Leben, und genauso wie vor zwei Jahren. Anders als damals waren dieses Mal eindeutig mehr Frauen als Männer dabei, bei der ersten Chinareise war das Geschlechterverhältnis ziemlich ausgeglichen gewesen. Anders war aber auch die Erwartungshaltung nach dem Erfolg von Peking. Es schien selbstverständlich zu sein, dass alles klappen würde, während ich sehr genau wusste, dass es immer noch ein Abenteuer war und wo die Gefahren lauerten. Im Grunde ging ich auch davon aus, dass es wir durchkommen würden, sonst wäre ich dieses Risiko ja nicht ein zweites Mal eingegangen. Ja, es ging alles glatt, man arrangierte sich in jeder Hinsicht, mit manchen Hotels, auch mit den Grenzübertritten, die sich dieses Mal teilweise überlang hinzogen, ich mag gar nicht mehr daran denken. Da gab es überhaupt kein Gemecker, trotz stunden-, ja tagelangen Wartens, viel länger als bei der ersten Reise. Alle legten eine stoische Geduld und sogar einen überraschenden Humor an den Tag.

Wie 2008 war es auch dieses Mal das Schönste für mich zu sehen, wie sich alle bemühten, miteinander klar zu kommen, dass man sich manche Eigenheiten und Schrullen verzieh, darüber lachen konnte oder sie sogar lieb gewann, denn sie sind es, die Menschen liebenswert machen, nicht nur das Großartige, Schöne, Geistvolle oder wie man sich darstellt, sondern auch die Schwächen, die auf einer solch langen Reise unweigerlich zutage treten und die den Menschen genauso ausmachen wie seine Stärken. Ja, darüber freue ich mich am meisten, dass wir wieder so gut miteinander klar gekommen sind! Wie Heidi Bisang es in ihrem Radiointerview ausdrückte: "Wir sind zusammengewachsen wie eine Familie". Und diese Familie bestand aus Waltrun, Ute und Tibor, Heidi Bisang und Heidy Ludewig, Uli, Frans und Verena, Sigrid und Klaus, Wolfram, Roswitha, Magdalena, Ina Varga und Ina Jander, Herbert, Alain, Lieni, Rolf, Gabriele, Hans, Dominique, Birgit, Margarethe, Stefan, Doli, Jürgen, Monika, Verena, Inge, Barbara und mir.

Danke Euch allen, die Ihr dabei gewesen seid! Ihr wart, nein, Ihr seid eine tolle Gruppe!

Danken möchte ich aber auch denjenigen, die letztendlich dies alles ermöglicht haben, es war schön zu sehen, wie da ein Rädchen ins andere griff:

  • Meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Freiburg: Doris, Karin, Nancy und Uli. Alexander, Christian, Frank, Michael und Michael, Reinhard, Rolf und der "große" Stefan. Sie alle, die im Vorfeld und während der Reise das Avantischiff auf Kurs hielten - ohne Euer Verantwortungsbewusstsein, Euren Einsatz und Euer Vermögen, selbstständig zu denken und zu arbeiten, wäre diese Reise kaum zu realisieren gewesen.
  • Ina, die die Vorbereitung der immensen Reisedetails innehatte und mir auch unterwegs zur Seite stand.
  • Stefan Reif, der uns als Fahrer die erste Etappe bis Taschkent ruhig, bravourös und meisterhaft chauffierte und bei dem ich - der schlechteste Beifahrer der Welt - in seligen Schlummer fallen konnte.
  • Wolfram Goslich, der Stefan als Chauffeur in Taschkent ablöste und ihn bis Shanghai und zurück nach Teheran souverän ersetzte und darüber hinaus mit vielen Blogbeiträgen und Fotos die Reise unvergessen machte.
  • Alain Lamy, der schon in Peking als Mensch und Fahrer dabei war und dem ich jederzeit vertrauensvoll das Ruder übergeben kann.
  • Der gesamten Setra-Mannschaft, insbesondere dem früheren Chef Herrn Staib und seinem Nachfolger Herrn Holder, der Vertriebs-, Service- und Presseabteilung, Herrn Friedrich, Herrn Mittnacht, Herrn Winkler, Herrn Nur, Herrn Engelhart und Herrn Sührig für ihre großartige Unterstützung des Projekts - und Herrn Dieter Kuckluck für seine Vorarbeit!
  • Dem Setra-Mechatroniker "Doli" Anatoli Reklin, der nun schon zum zweiten Male eine große menschliche Bereicherung war, den Bus fotografisch dokumentierte wie kein Zweiter und uns die Sicherheit gab, dass wir im Falle des Falles erstklassige Hilfe gehabt hätten.
  • Unseren Reisebegleitern Reza, Murat, Sergej und Irina, Linus, Che, Tschü, Joe, Liu und Volker, die uns ihre Heimat oder Wahlheimat nahegebracht haben.
  • Sigrid Hofmaier und Christian Seel für die Einrichtung und laufende Aktualisierung des Blogs.
  • Allen nicht Erwähnten, die uns geholfen und das Projekt gefördert haben.
  • Michael, Werner, Elisabeth und Anne, weil sie mich immer über den Gesundheitszustand unserer Eltern auf dem Laufenden hielten,
  • Lea, Jonas, Nicolas und Annika für ihr Interesse an dem, was ihr Vater so tut.
  • Der FWTM mit Herrn Dallmann, Frau Horstkötter, Frau Motschall und allen anderen für die Unterstützung im Vorfeld und die Betreuung auf der Expo in Shanghai.
  • Dem forumandersreisen, Baikal Express und china-by-bike.
  • Allen Avanti-"Fans"
  • Euch allen, die Ihr uns am Bildschirm, in Gedanken und Kommentaren begleitet habt.

Ihnen und Euch allen noch einmal einen ganz herzlichen Dank!

Hans-Peter Christoph

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20Jul/10Off

Inge Stagneth: Dogubayazit – Katarini

Wir finden fast problemlos unser Hotel, die erste Straße nehmen die in den Ort führt, endet mit einer Sperrung. Wir nehmen zwei junge Männer auf, die Alain den Weg weisen sollen.  Doch für sie ist das Mitfahren im Bus das Wichtigste. Sie können nicht einschätzen, welche Straße der große, ausladende Bus fahren kann. Außerdem hat sich das Stadtbild seit unserem letzten Aufenthalt entscheidend verändert. Sämtliche Straßen zum Hotel sind aufgegraben und bekommen einen neuen Belag. Wir landen in einer engen Straße und müssen links abbiegen. Ein Taxi steht im Weg, doch bald schon kommt der Fahrer und fährt dieses weg. In der Kurve sind zwei Rinnen im Weg, die vom Dach des Hauses in die Straße ragen. Die beiden Mitfahrer staunen nicht schlecht, als Alain die Spiegel ganz einfach einklappt. Im Hotel Nuh sind wir schon fast daheim. Wir treffen uns zum Teetrinken  und gehen in einen auf die noch fast im Rohbau befindliche Terrasse. Der Ararat ist in Wolken, schon bald regnet es ziemlich heftig. Der Berg hat kräftig Schnee verloren. Der kleine Ararat hat keinen Schneebelag mehr. Es ist großartig, wie die Menschen hier bestrebt sind, die Stadt zu sanieren. Wir genießen ein frühes Abendessen, treffen uns noch zu einem Bier in der Halle. Hier erfahre ich, dass der Scheff eine SMS geschrieben hat: Wir sollen morgen früh losfahren sollen, denn es liegen ca. 900 km vor uns bis Amasya. Fünf Uhr! Abfahrt. Frühstück im Bus. Ina und Verena gehen Proviant einkaufen.

Ein schöner Morgen begrüßt uns. Zwar will der Ararat sich nicht ganz zeigen doch dies tut unserer guten Laune keinen Abbruch. Wir kaufen noch frisches Brot fürs Frühstück. Ina macht Kaffee. Und kein Hotel der Welt kann das bieten, was wir hier haben. Wir frühstücken und draußen zieht der junge Morgen heran, die Sonne geht auf. Die Landschaft ist so schön, dass wir keinen Augenblick davon missen möchten. Der Tisch ist reich gedeckt mit Wurst, frischem Käse, Tomaten, Gurke, Marmelade, Butter, Oliven. Die Farbe Gold begleitet uns, gemischt mit grünen Tönen, die manchmal goldgrün aufleuchten. Wir fahren an einem Fluss entlang, hinauf in die Berge. Das Wasser leuchtet türkis, blau und bräunlich. Die Felsen stehen einmal eng, dann weiter. Es ist einsam hier. Das wilde Kurdistan. Kleine Dörfer grüßen mit ihren Minaretten. Wir staunen und schauen.

Wir kommen zügig voran. Alain fährt uns sicher und gut. Um 18.30 Uhr sind wir in unserem Hotel in Amasya. Ein wunderschönes kleines Hotel, liebevoll eingerichtet, so gemütlich und einladend. Levent, der charmante Chef heißt uns herzlich willkommen und ist ein wenig enttäuscht, dass Hans-Peter nicht dabei ist. Er organisiert den Shuttle, der uns zu einem Restaurant auf den Berg bringt, in welchem jeder gewesen sein muss, wenn er Amasya besucht hat. Unser Fahrer erzählt, dass er auf Besuch ist bei seinem Vater, dem das Restaurant gehört. Er ist Professor für Wirtschaft, gibt Seminare in Frankfurt und lebt in Kanada.

Wir können verstehen, dass man hier gewesen sein muss, als wir  auf der Terrasse sitzen. Die 7.500 Jahre alte Stadt liegt am Fluss eingeschlossen von den Bergen. Gegenüber von uns, auf dem Berg eine mächtige Burg mit der türkischen Flagge. Darunter eine steile Felswand, in welche die Königsgräber persischer Könige eingegraben sind. Vierzehn Kulturen hat die Stadt in ihrer langen Geschichte erlebt. Es wird langsam dunkel und nacheinander gehen die Lichter an. Kein störendes, buntes Neonlicht, sondern ein mattes weiches Licht taucht die Stadt, die Burg und die Gräber in einen Traum. Nach dem Essen fährt der Professor uns auf einem ganz engen, steilen Sträßchen zurück ins Hotel. Unterwegs haben wir noch eine etwas aufregende Begegnung mit einem entgegenkommenden Auto...

Ziel: Istanbul

Gutes Frühstück auf der Terrasse. Abfahrt 8.30 Uhr.

Alle an Bord sind gut gelaunt und ausgeschlafen. Wieder eine Bilderbuchlandschaft. Hügel begrünt bis zu den Gipfeln. Bergwiesen mit blaulila Blumen, gelben Königskerzen. Herrlicher Wald, Wald, Wald. Pause auf einer guten Raststätte. Gestärkt geht es wieder auf die Autobahn, die viele Baustellen hat. Diese zwingen uns, langsam zu fahren. Ina strickt das dritte Paar Socken mit einer wunderbar bunten Wolle. Hochhäuser künden davon, dass wir bald Istanbul erreichen. Wir überqueren den Bosporus, die Grenze von Asien nach Europa. Ina hat ihren Platz neben Alain eingenommen und führt ihn nach der Karte zur Hagia Sophia, wo unser Hotel ist. Da haben wir uns plötzlich verfahren, haben die rechte, statt der linken Abzweigung genommen und sind auf einer kleinen Straße gelandet, die durch ein engeres Wohngebiet führt. Geht es an der nächsten Kreuzung nach rechts oder links, damit wir auf die Galata Brücke kommen? Alain  fährt den Bus ganz nah an den Bordstein und hält an. Ina steigt aus und fragt zunächst den Polizisten auf Englisch nach den Weg, doch er geht der Antwort aus dem Weg und überquert die Straße. Es bildet sich ein kleiner Stau. Da kommt die Rettung in Form eines Taxifahrers, der Englisch kann. Er erklärt sich bereit, mit Ina zusammen im Taxi vor dem Bus herzufahren, um ihm den Weg zu  zeigen. Vorsichtshalber notieren wir die Nummer des Taxis. Da ein Schild: Durchfahrt nur bis 3.70 Meter. Der Bus ist 3.90 Meter hoch. Der Taxifahrer fährt nach rechts, steigt aus seinem Wagen, läuft unter die Brücke, schaut und bedeutet Alain zu fahren. Alain sagt: „Kopf einziehen“ und wir sind durch.

Sehr freundliche Aufnahme im Hotel, Zimmer beziehen und dann ziehen wir vier los, zum Bazar, an der blauen Moschee vorbei, baden wieder in der Menge. Erstehen in einem Tausend-und-eine-Nacht-Lädchen drei Glaslampen, handgefertigt bei einem liebenswürdigen lustigen Mann, der uns ein gutes Lokal am Ende des Bazars empfiehlt. Wir sitzen oben auf der Terrasse mit Blick auf die große Moschee. Auf dem Weg zum Hotel setzen wir uns in den Park zum Leuteschauen. Wir könnten hierbleiben!

Heute letzte außereuropäische Ausreise, Ziel: Katarini

Frühstück auf der Terrasse. 9.00 Uhr Abfahrt. Ina führt uns wieder auf der Hauptstraße, und zwar auf dem schnellsten Weg. Autobahn, Landstraße, Meer, viele, viele badende Menschen , die wir ein bisschen beneiden. Schneller Grenzübertritt. Auf den letzten Metern zu unserem Hotel steht Hans-Peter mitten auf der Straße, braungebrannt und stoppt den Bus. Freudige Begrüßung. Für ihn war es auch sehr aufregend, zu verfolgen, wie wir unterwegs waren. Lisa, die Führerin in Griechenland, ist mit ihrem Mann auch da, und beim Abendessen erzählen wir unsere Erlebnisse und begießen unsere heile Ankunft.

Meer, Meer, Meer, wir baden, faulenzen, essen, erzählen… Der Bus wird von den beiden Männern erst mal außen gründlich sauber gemacht. Die dafür erforderlichen Utensilien hat Alain aus Deutschland mitgebracht und musste am Flugplatz in Almaty erklären, was er denn damit vorhätte. Er antwortete wahrheitsgemäß, er wolle damit ein Auto saubermachen. Daraufhin meinte der Zöllner: In Kasachstan werden keine Autos saubergemacht. Am Abend führt uns Hans-Peter im Dorf in ein griechisches Restaurant, wo wir gut essen.

Heute ist nochmals Katarini angesagt: relaxen und träumen. Dann packen wir die Koffer aus, um und ein. Am Freitag sind wir wieder in Freiburg.

Inge Stagneth

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19Jul/10Off

Wolfram Goslich: last exit Teheran – von Reisefeeling, Pandabären und Klimaanlagen…

China ist schon so weit weg, über 3.500 Kilometer – 10 komplette Reisetage und dazu die Tage, die wir irgendwo in der Steppe an Grenzen rumgestanden und gewartet haben.

Die Sonne geht über der Wüste unter  - in Turkmenistan, in der Dämmerung sind nur noch schemenhaft einige Steppengrasbüschel erkennbar, die kleinen gelben Lämpchen am Horizont zeigen entgegenkommende LKW an. Die Piste nach Mary ist besser als von Elena, unserer russischen Begleiterin durch das Steppenland des Turkmenbashi, prophezeit wird – aber das ändert sich, wie wir dann noch sehen!

Aber noch mal zurück an die Grenze nach Korgas, dort wo die kasachische Steppe beginnt.

Um den ganzen Irrsinn, den Grenzen mit sich bringen, zu verstehen, muss ich es einfach erlebt haben, sonst könnte ich es nicht kapieren. Seit Tagen blicken wir täglich in die endlose Öde und Stumpfheit ausstrahlenden, ungepflegten Gesichter irgendwelcher Zöllner mit schlecht sitzenden Klamotten, denen wir ihre Arbeitsplätze (welche Arbeit?!) in diesen verlassenen Grenzkäffern mittlerweile von ganzem Herzen gönnen.

3 ½ Tage hatten wir in Korgas auf der chinesischen Seite verbracht und jeden Tag aufs Neue gehofft, wir kämen nun endlich rüber. Wir haben alle notwendigen Papiere, die Kasachen haben allerdings im Eiltempo einen „Tag der Hauptstadt“ als Feiertag für Dienstag, den 6. Juli angesetzt. Also wird am Montag, den 5. Juli nicht gearbeitet, alle Grenzen dicht. Da legen die Chinesen gleich nach und öffnen ihre Grenzabfertigung erst wieder am Mittwoch, den 7. Juli. Es fehlen uns bereits 2 Tage und Joe, unser chinesischer Begleiter, macht uns wenig Hoffnung für den Mittwoch „eh die ganze Maschinerie wieder anläuft“…

Liu, der für die eigentliche Kommunikation mit den Zöllnern zuständig ist, sehen wir kaum, er wartet und geht durch die Niederungen chinesischer Bürokratie. Abends geht er lieber ohne uns essen, weil ihm das Ganze schon peinlich ist, obwohl er nun wahrlich nichts dafür kann. Die Grenzbehörden sind mit uns durch, aber das entscheidende grüne Licht kommt aus Urumqi, der Provinzhauptstadt und da muss man eigentlich seine direkten Kontakte haben, um jemanden zur Arbeit zu bewegen.

Bis etwa 13 Uhr macht es viel Sinn zu hoffen, dann machen die chinesischen Zöllner, die eh erst um10.30 Uhr beginnen zu arbeiten (weil die Kasachen mit 2 Stunden Zeitunterschied um 8.30 Uhr anfangen, vorher ist alles dicht, kein rein, kein raus) ihre Mittagspause. Wenn die Mittagspause dann um 16 Uhr vorbei ist, geht’s langsam wieder los. Die Essenspause wird intensiv genutzt, damit wenigstens deren Verdauungsorgane etwas zu tun haben.

Reisender, willst Du nach Korgas, wir können Dir sagen, wo Du gut und wo Du weniger gut essen, schlafen, Karaoke singen oder Haushaltsartikel für 9 Yüan das Stück bekommen kannst. Wir kennen uns aus. Ina holt morgens frisch dampfendes Brot vom Uiguren, ich starte jeden Morgen im Hof die Maschine unseres 455 PS Luxusschlittens, um Kaffee zu kochen, der seinen Namen verdient und den wir mit ins Frühstücksrestaurant nehmen, mittlerweile ein vom Personal selbstverständlich toleriertes Ritual. Abends ziehen wir uns mit gut gekühltem Bier und angenehm kühler Raumtemperatur im Bus Filme zum Thema Seidenstraße rein.

Das lässt jeden Bahnreisenden in Deutschland vor Neid erblassen. Die Klimaanlage zeigt erst ab 40° C jedem Gast, was der Bus so drauf hat, vorher merkt ein Busreisegast gar nichts, indes der Bahnkunde bereits völlig dehydriert zusammengebrochen ist, nachdem der Zugchef alle Türen ordnungsgemäß verrammelt hat.

Ich erinnere noch einmal an den deutschen Konsul in Shanghai, der seine Begrüßung mit der Frage einleitete, was jemand dazu treibt, solch eine anstrengende Reise mit dem Bus zu machen. Was würde er wohl heute einen Bahnpassagier zur Wahl des Verkehrsmittels fragen? Mal ganz nebenbei an alle Busunternehmer in Deutschland: Wie nutzt ihr eigentlich die Steilvorlage der Bahn? Und ganz ehrlich: Der Aufkleber „Klima schonen – Bus fahren“ ist ja nun wirklich mehr als dünn, na Klasse, wie früher die grünen Obsttüten auf den Märkten, wo draufstand „ esst mehr Obst“!

Donnerstagnachmittag, wir glauben es kaum, soll es losgehen, Irgendjemand hat in  Urumqi interveniert, auf einmal geht’s. Klamotten in den Bus, Zimmer räumen, Schlüssel abgeben, das Hotelpersonal kennt das schon und lächelt vielsagend, also rein in den Bus, Motor an, los. An der Grenze angekommen, setzt passend zur Dramatik des Augenblicks der tägliche Gewitterschauer ein. Jeden Tag um halb sechs, wir müssen schnell durch sein, sonst machen die Kasachen auf der anderen Seite zu.

Ewiges Hin und Her, wie wir wo lang gehen und mit welchen Stempeln versehen durch die Kontrolle laufen, ich fahre den Bus in den Zollhof, um mich kümmert sich keiner mehr. Ich hab Ruhe, trinke Kaffee, rauche eine Hongtashan (chinesische Marlboro) und beobachte, wie kasachische Kleinhändler ihre Einkäufe in den Bus nebenan wuchten, dessen Mitteltür nicht mehr schließt und dann irgendwann mit Draht festgerödelt wird. Der Bus fährt weiter. Ich bin allein und warte zwischen den LKWs; rechne mir die Zeit bis Almaty aus, unser Ziel für diese Nacht. Die Luft ist gewittergereinigt und dann kommt ein chinesischer Zöllner und bedeutet mir, auszusteigen. Mache ich, nur als er mir zeigt, ich solle den Bus von außen abschließen, kommen mir Zweifel. Und dann sehe ich etwas weiter entfernt die anderen hinter dem Zaun mit enttäuschten Gesichtern.

Es wird klar: Wieder zurück ins Hotel, noch ne Nacht in China. Die Kasachen haben schon Feierabend, der chinesische Zöllner hatte zu früh Feierabend gemacht, uns fehlen am Ende nur wenige Minuten, also alles raus für die Nacht, Bus ist gecheckt, bleibt im Zollhof, gut bewacht vom Militär und wir lassen uns mit Dreiradtaxis ins Hotel karren. Immerhin die gleichen Zimmer, das Personal kennt uns, im Ort kennt man uns auch schon, wir werden freundlich gegrüßt, fast wie alte Bekannte, die man ne Weile nicht mehr gesehen hat und wir malen uns beim Abendessen im Stammlokal schon aus, wie es dann ist, hier zu leben, mit Jobs in der Sozialverwaltung, als Bewegungslehrerin für kleine chinesische Kinder und ich als Linienbusfahrer zwischen Yining, Urumqi und Korgas im chinesischen Schlafbus.

Neue Runde, neues Glück: Freitagmorgen wieder mit den Dreiradtaxis zum Grenzübergang, alle zu Fuß. Wir sind rechtzeitig da, um einzuschätzen, wo am heftigsten gedrängelt werden wird, wenn die Chinesen das Gatter öffnen. Kasachische Kleinhändler sind einfach Grenzprofis, wissen, wo wann wie geschubst und gedrängelt werden muss, die kasachischen Frauen entwickeln wenige Minuten später ungeahnte Energien, schaffen es sogar, mich zunächst abzudrängeln, bis ich sämtliche Manieren fallen lasse und als einer der ersten gnadenlos durchkeile. Dem Tempo können nicht alle anderen folgen, schließlich sind wir dann alle hinter dem Gatter, zügig zum Abfertigungsgebäude, dort wieder keilen, Gepäckscanner!

Scheinbar freundliche Sonderbehandlung unserer Gruppe auf einer Extraspur, die sich als Sackgasse entpuppt, unsere kasachischen Konkurrenten sind längst durch und bei uns wissen die Chinesen wieder mal nicht, ob und wie sie uns abfertigen sollen. Jeder Pass dauert dann etwa sieben bis neun Minuten. Wir haben zwei Pässe, um alle notwendigen Einreisevisa zu haben, weil die Bearbeitungszeit auf den Botschaften solange dauert.

Dann zum Bus, dann wieder Passkontrolle am Fahrzeug, nochmal Buskontrolle, dann losfahren – bis zum ersten Posten für die Ausreise. Dann Busausreisedokument vorweisen, abstempeln lassen, aber nicht dort, sondern da, wo wir gerade herkommen. Ich also zu Fuß zurück mit dem Beamten. Dort, an einem kleinen Mäusegatter, wieder warten, dann Aufnahme aller meiner Personalien auf einem Stück Papier: Die Straße, in der ich in Berlin wohne, die Hausnummer, Unterschrift. Dann wieder zurück zum ersten Ausreiseposten. Die zwei jungen Chinesen, die das machen, interessieren sich so stark für die Münzen in der offenen Getränkekasse, dass ich sie erstmal zumache. Die kriegen von mir nichts. Dann noch mal anhalten, chinesisches Salutieren, um dem Ganzen einen Anschein von Korrektheit und Klarheit zu verleihen und wir sind wirklich raus aus China und jetzt rein nach Kasachstan. Das Ansehen des Berufsstandes steigt bei uns trotz der relativ zügigen Abfertigung von ca 1 ½ Stunden für sechs Passagiere + Bus nur unmerklich, der Oberaufseher ist erkältet und hat einfach keine Lust viel aufzuschreiben, ein Umstand der einen Tag später fast zum Fiasko gerät.

Der kasachische Osten liegt dichtgrün vor uns, die gefalteten Hügel sind von einem zartgrünen Velourteppich überzogen, es hat schon lange nicht mehr soviel im Sommer geregnet, vor zwei Wochen so viel, dass riesige Flächen völlig verschlammt sind und ich den Bus in der Mitte einer links und rechts völlig versandeten Asphaltpiste fahre. Am Horizont blitzt es immer wieder grell, die Viertausender sind in pechschwarze Wolken gehüllt, riesige Regenschleier ziehen an den Bergen entlang, die Temperatur fällt in wenigen Minuten um mehr als 15 Grad. Visuelle Entschädigung für Tage voller Öde.

Die kleinen Straßendörfer sind so völlig anders als in China und ich weiß nicht so genau, wo ich bin. Osteuropa, Balkan, Russland, Zentralasien, gefühlsmäßig schwer zu lokalisieren. Landschaftlich auf jeden Fall schön. Hirten reiten ihre kleinen schlanken Pferde, ganze Herden grasen auf den endlos weiten und schönen Steppenwiesen.

Über 400 Kilometer sind es bis Almaty, dort wartet Alain, der als zweiter Chauffeur zusteigt. Er ist glücklich an Bord, wir wühlen uns durch den Feierabendstau raus aus der größten kasachischen Stadt, das übliche Abendgewitter setzt ein mit massiven Sturmböen. Äste kommen runter, ich beobachte argwöhnisch die sich wirklich stark biegenden Pappeln direkt an der Straße. Ne halbe Stunde später ist es vorbei, der Stau noch lange nicht und die Nacht bricht an. Wir haben so viel Zeit verloren, dass wir einfach fahren müssen. Der Wind aus dem greifbar nahen TienShan-Gebirge nimmt stark zu, ganze Wellen von Steppengrasbüscheln werden über die Fahrbahn geweht, wir fahren kurzzeitig über ganze Haufen davon.

Die Wolken in der Nachtdämmerung sind wirklich dramatisch. Ein kurzer Stopp an einem kasachischen Truckstop mit Neonpalme und wohlschmeckender Suppe. Kasachische Jugendliche zücken ihr Fotohandy vor der Kulisse des roten Riesen  aus Freiburg.

In Kasachstan bei Nacht zu fahren, ist nicht unbedingt zu empfehlen, aber für uns unumgänglich. Schwach bis gar nicht beleuchtete LKW auf der Überlandstraße nach Bishkek, unzählige Nachtbusse kommen uns auf der Fernstraße parallel zur kirgisischen Grenze entgegen; der größte Teil dieser Strecke eine einzige Schotterpiste neben der Baustelle für eine neue Fernstraße. An der Straße von Glühlampen erhellte Veranden, darauf stehen die Kangs, Holzpodeste mit kleinen Tischen. Darauf lümmeln sich die Gäste, meist Fernfahrer, Händler, alle, die nachts unterwegs sind oder bei dieser Hitze einfach nicht schlafen können. Ein anheimelndes Bild. Hat etwas von Urlaub im Süden, dabei durchqueren wir eine Region, die zur Zeit alles andere als Urlaub im Kopf hat, Hunderttausende sind aus Kirgistan geflüchtet, wir wissen das, aber wir sehen es nicht.

Wir brauchen zum Fahren absolute Konzentration. Die Sicht ist schlecht, weil vor uns fahrende LKW Unmengen Staub aufwirbeln, die Bahn verschwindet im Nebel, immer wieder kurze Umleitungen auf Rüttelpisten, immer auf Schlaglöcher und Bodenwellen achten, völlig fest im Sitz sein, um schnell mit Bremse und Kupplung reagieren zu können und bloß nix übersehen. Aber wir gewöhnen uns schnell daran. Unser Zwischenstopp Taraz, eine kleine südkasachische Stadt, rückt langsam näher. Eine Weile fährt der Nachtzug nach Taschkent mit uns auf gleicher Höhe, nur an den erleuchteten Abteilfenstern erkennbar. Der Wind nimmt spürbar zu, in der Morgendämmerung werden schnell dahinziehende Wolkenfetzen erkennbar, die Fünftausender zur Linken sind in dichte Wolken gehüllt. Um halb sechs am Morgen erreichen wir Taraz, schlafen zwei Stunden und dann geht’s weiter, heute laufen unsere kasachischen Visa ab und es ist Sonnabend, kein guter Tag, eine Grenze zu überqueren.

Kurzer Kaffeestopp an der Landstraße in Shimkent auf dem Weg zur usbekischen Grenze, wir brauchen noch jede Menge kasachische Tenge zum Tanken, die Verhandlungen zum Geldwechsel an einem Zigarettenkiosk ziehen sich etwas länger hin, bis wir unseren Kurs bekommen. Beim Tanken treffen wir ein Pärchen mit einem Geländefahrzeug aus dem Fränkischen auf dem Weg in die Mongolei.

Es ist schon Nachmittag und langsam werden wir unruhig, die Fahrerei zieht sich, zwischenzeitlich wissen wir nicht genau, ob wir auf der richtigen Straße sind, Sergey kennt sich nicht sehr gut aus, ist zu müde und hat noch ganz andere Probleme. Schließlich, nach einer Linkskurve, kommen wir in ein ganz kleines Dorf mit zwei, drei Kneipen und dann, mitten im Dorf, der Zollhof! Wir haben es geschafft! Das Dorf sieht so unscheinbar aus, kaum zu glauben, dass dort eine internationale Grenze sein soll. Hier kommen LKW durch, die von Istanbul nach Almaty vier Wochen und länger brauchen, so erzählt uns jedenfalls Tarik, der einen gelben Volvo-Sattelschlepper mit Baumwolle aus Kasachstan nach Istanbul bringt.

Alle steigen aus, um zu Fuß über die Grenze zu gehen. Alles recht unkompliziert, meine Abfertigung, deren Passkontrolle, die Zöllner wollen eigentlich nur Bier und WM-T-Shirts, entscheiden sich dann aber für Werbeschreibblöcke eines chinesischen Hotels, die ich endlich los werde. Alle Papiere fertig, die üblichen Zöllnervisagen und weiter.

Ich fahre den Bus aus der Kontrolle raus und sehe, dass kein Durchkommen ist: Jjede Menge LKW vor mir, die sich vor der usbekischen Seite zurückstauen und während ich überlege, wie ich da rauskomme, kommt plötzlich ein kasachischer Zöllner und fordert mich auf, den Bus an der Seite abzustellen und mitzukommen. Irgendetwas stimmt nicht. Ernste bis ratlose Gesichter, unsere Transitgenehmigung ist angeblich nicht vollständig.

Glücklicherweise erkennt mich der Englisch sprechende Zöllner von der Hinfahrt wieder, der einzige, mit dem ich überhaupt reden kann. Den interessiert zwar zunächst nur, wie toll ich denn Kasachstan finde (na ganz toll!!!), aber ich muss dranbleiben. Die anderen haben einfach keine Lust bzw. keine Ahnung, wie sie mich abfertigen sollen. Mit den Kollegen werden offensichtlich verschiedene Varianten unsere Abfertigung diskutiert, entnehme ich jedenfalls den Gesten. Er erklärt mir dann, was ich zu zahlen hätte, ich stimme zu, was soll ich sonst machen, will wissen, ob in Dollar oder Euro, aber so einfach ist das nicht. In der Wechselstube ist keiner mehr da, es muss in Tenge gezahlt werden und so sieht es schlecht aus, weil ja auch Sonnabend ist und kaum jemand mit etwas Kompetenz da ist. Das gibt der Zöllner indirekt auch zu und schleppt mich erstmal mit in die Kantine. Da will ich gar nicht hin, aber da sitzt sein Chef und isst. Mir wird bedeutet, diesen nicht groß anzuschauen. Es hänge viel von dessen gutem Willen ab und wenn der isst, dann dauert das.

Taktisch vorsichtige Annäherung: Essenseinladung annehmen, obwohl mir schon seit einer Stunde der Appetit vergangen ist. Etwas bewegt sich, wenn auch unmerklich. Dann ist es raus: Um das Dokument, das unsere Ausreise ermöglicht und meine Zustimmung zur Zahlung des Betrages belegt, muss ein staatlich geprüfter Übersetzer her. Da würde selbst Sergey, unser Reiseleiter, nicht helfen können, abgesehen davon, dass ich den auf dem Handy eh nicht erreiche.

Den Verweis darauf, vielleicht morgen einen Übersetzer zu finden, kommentiere ich mit dem Hinweis, dass morgen Sonntag sei und das Ganze dadurch noch schwieriger sei. Jetzt scheint auf seiner Seite der Gedanke einzusetzen, uns das ganze Wochenende im Zollhof zu haben und der Gedanke ist ihm sichtlich unangenehm.

Die Zeit läuft mir davon, die anderen sind schon auf der usbekischen Seite. Ich hab‘ wenigstens kalte Getränke und etwas zu essen, ich will gar nicht weiterdenken. Jetzt kommt erstmal der Stempelparcours: klassische Zöllnermentalität, Grenzgänger zu beschäftigen, um selber raus zu sein. Von den sieben Stempeln, die ich mir jetzt bei allen möglichen Beamten holen soll, ist einer davon der Grenztierarzt. Was soll ich da noch nachfragen? Ich mache ihm noch mal eindringlich klar, dass die Usbeken drüben dichtmachen und dann geht alles ganz schnell. Der Chef macht einen russischen Text, der mir die Anerkennung meiner Ausreise gegen Zahlung von 450 US $ vorlegt, dazu drei Unterschriftsproben von mir, die jeweils gestempelt werden, die Kohle wird kassiert und erstmal von ihm in einen diskreten Umschlag gesteckt. Die Situation und auch die wenigen Minuten, die mir noch bleiben, machen eine Frage nach einer Quittung von vornherein völlig überflüssig. Dem Englisch sprechenden Zöllner lasse ich für seine Hilfsbereitschaft (ich glaube, der wollte einfach nur Englisch sprechen, ein bisschen wichtig sein und von dem Geld sieht nur sein Chef etwas) ein hochgeschätztes Reisesouvenir, das mir zur Belustigung aller in China mal zugedacht war, in einem kleinen Beutel über den Tresen wachsen: Hasso, ein gut gewachsener deutscher Schäferhund aus Hartplastik, der kraft seines Ausdrucks jedem zeigt, wo der Hammer hängt.

Die Zeit rennt, den Rest erledige ich im Laufschritt. Jetzt wollen mich die Kasachen loswerden und haben mir schon eine Gasse zwischen Dutzenden LKW, die nach Kasachstan einreisen wollen, frei geräumt, ich fahre also auf der Gegenspur raus aus diesem Land – nichts wie weg hier. Es ist das 2.000-Kilometer-Wochenende China – Turkmenistan. Von Samarkand am nächsten Morgen weiter, zahlreiche Checkpoints, an denen wir auf Weisung nicht mehr anhalten. Es ist ähnlich wie in China: runterbremsen, langsam an den Kelle schwingenden Polizisten ranfahren, zustimmend lächeln und wieder dezent Gas geben – funktioniert! Kommt keiner hinterher!

Die Ausreise aus Usbekistan am Sonntag wieder durch solch ein seelenloses Wüstenkaff, Kulisse für Kaurismäki Filme. Der bräuchte nicht mal Requisiten ranschleppen, so trostlos sieht’s dort aus. Hätte ich gerne fotografiert, aber das hätte unseren Aufenthalt sicher enorm verlängert. Das einzig Moderne an Turkmenistan, das mir in Erinnerung bleibt, ist das Zollgebäude dort: Nagelneu, gute Klimaanlage und wir kriegen sogar Stühle angeboten, das gab’s noch nie. Ansonsten jede Menge Stempel, dreifache Aufnahmen von Personalien der Fahrer und natürlich Bargeld – Straßensteuer. Wofür, bleibt ein Rätsel, die dortigen Straßen waren mit die schlimmsten auf der ganzen Reise.

Wir sehen schon, dass es wieder nach Mitternacht werden wird, bis wir im Hotel sind, essen unterwegs in Turkmenabat und damit wir den Bus vernünftig parken können, kommt wieder der Panda bei den Polizisten zum Einsatz, die uns bei dieser Gelegenheit gleich kontrollieren. Wirkt aber Wunder, die Polizisten lächeln, der Bus kann sicher geparkt werden und wir essen in Ruhe.

Mary, eine der trostlosesten Städte, die ich auf der ganzen Reise sehe, mitten rein gebaut, hell erleuchtete Prunkbauten des Diktators, nachts noch über 30° C, die Zimmer im Hotel winzig, Normalvollzug, die Klimaanlage effektiv, es riecht nach starken Reinigungsmitteln, aber nach maximal sieben Stunden sind wir wieder weg.

Elena, unsere Begleiterin, kennt sich auf der Strecke nicht sonderlich gut aus, das verraten die regelmäßigen Stopps, an denen sie nach dem Weg fragt. Was sie uns nicht verrät und was erst kurz vor der Grenze an der Vorkontrolle klar wird: Sie hat mit uns eine Abkürzung genommen, die von unserem offiziell genehmigten Routing abweicht. Wir hatten uns schon seit Stunden gewundert, dass uns auf der einzigen Piste Richtung Iran keine LKW mehr entgegenkamen und ich im Schnitt mit 30 km/h um bösartig tiefe Schlaglöcher rumgekurvt bin. Bis das geklärt ist, vergeht ne halbe Stunde, die Steppe ist mit 43° C brüllend heiß, regelmäßig bilden sich Windhosen, die Unmengen gelben Wüstenstaub aufwirbeln und an uns vorbei über die Piste wirbeln. Wir schenken den Grenzsoldaten, die gerade versuchen, in der Hitze ein Mittagessen zu zaubern, unsere gesamten Alkoholvorräte, die bei der Einreise in den Iran mit Sicherheit Probleme bereiten würden.

Salam Iran! Endlich gute Straßen, zwischen Mashhad und Teheran sind wir auf einem Expressway, der inklusive Landschaft, Beschilderung und Tankstellendesign wie eine US-Interstate-Autobahn in New Mexico aussieht.

Polizeikontrollen, Checkpoints mit Anmeldung der Reisenden eines jeden Busses(!). Mit den vielen Schwerlast-Oldtimern ist der Iran ein LKW-Museum, auf einmal sind wir am Stadtrand von Teheran und ich bin am Ziel meines Teils der Reise angelangt. Hier ist Schluss für mich. Das geht dann auf einmal so schnell und doch waren es etwa 17.000 Kilometer, von denen ich die Hälfte am Lenkrad verbracht habe.

Damit ich mich an den letzten Morgen gut erinnern kann, an dem meine Reisegefährten weiterfahren, wechsle ich mit Alain morgens um sechs auf der Straße noch schnell einen Reifen, die Nachlaufachse hat einen Platten. Aber auch ohne Reifenwechsel werde ich diese einmalige Reise nicht vergessen, es war einfach eine supergeile Zeit!

Der Tag in Teheran spiegelt noch einmal die Art und Weise der meisten Begegnungen mit den Menschen auf unserer Reise wider, offene Gesichter, kontaktfreudig, aufgeschlossen, viele lachende Gesichter und das in einem Land, wo es schon seit Jahrzehnten nichts zu lachen gibt. Im Basar wollen die Leute ein Foto von mir gemacht bekommen. Mmit ein paar jungen Männern sitze ich auf dem Dach ihres Pickup und fotografiere sie, ein weiterer lädt mich auf ein Glas Tee ein, der Fladenbrotbäcker holt mich direkt an seinen Ofen in der Backstube, damit ich alles aufs Bild bekomme. Auf dem Bus Terminal South will eigentlich jeder Busfahrer aufs Bild, meist zusammen mit Kollegen, am vorderen Einstieg, beim Tee in der Kofferklappe oder am Lenkrad. Abgesehen von dem Taxifahrer, der von mir am Ende der Fahrt das Zehnfache des vereinbarten Preises haben will, noch einmal eine Erinnerung an zwei Monate unzähliger interessanter Begegnungen und ein paar Lachfalten mehr in meinem Gesicht.

Den vereinbarten Taxipreis hab ich übrigens auf den Beifahrersitz geschmissen, mich umgedreht und bin gegangen.

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18Jul/10Off

Der Star

Für die Mitreisenden Nebensache, für mich aber von größter Bedeutung ist, dass der Bus keine Probleme macht, egal wohin wir fahren. Auf ihn kommt es an, er ist ein wichtiges Werkzeug zum Erfolg, und obwohl nie wirklich im Vordergrund, ist er der Star, an dem vieles hängt. Auch wenn wir hier einen Mechatroniker dabei hatten, der sein Handwerk versteht. Reparaturen kosten Nerven, Zeit, bringen den Fahrplan durcheinander und es ist grundsätzlich schon nicht einfach, auf bekanntem Terrain mit Menschen an Bord eine Panne zu haben, wie viel mehr auf einer derart weiten Reise durch die entlegensten Winkel der Welt, auf der es jede Menge anderer Unsicherheitsfaktoren gibt. Dann möchte ich mich nicht auch noch mit dem Fahrzeug herumärgern müssen. Da ich mit dem legendären "rollenden Wohnzimmer" von 2008, einem 415 HDH von Setra/Daimler auf der Pekingreise und danach die allerbesten Erfahrungen gemacht hatte, war es naheliegend mit einem Bus des gleichen Typs zu fahren, obwohl es keinen gibt, der mehr kostet. "Never change a winning horse". In diesem Fall ein "winning team", Avanti und Setra.

Es war die richtige Entscheidung. Wieder machte es nur Freude, den schweren Dreiachser durch schmalste Gassen zu manövrieren, auf engstem Raum wenden zu können und die stoische Laufruhe und den sagenhaften Abrollkomfort zu spüren, mit dem das Fahrwerk die schlimmsten Straßen Zentralasiens und Baustellen Chinas glattbügelte, aber auch über makellose Autobahnen hinwegschwebte. Pannen gab es schon bei der Pekingreise überhaupt keine, und auch dieser Setra überzeugte mechanisch - bis auf einen Kühlwasserschlauch, den Alain jedoch schnell ersetzt hatte. Die ausgefeilten elektronischen Bauteile, vollgepackt mit Sicherheits- und Fahrer-Assistenzsystemen wie bei keinem anderen Bus, hielten ebenso klaglos durch wie 2008, und das wieder auf langen Rüttelstrecken, die einer Teststrecke für Geländewagen zur Ehre gereichten - wobei dies hier ein Dauertest war. Meine Mitreisenden waren ebenso begeistert wie wir Chauffeure, auch wenn sie von der Technik wenig mitbekamen. Der Fahr- und Sitzkomfort, die Atmosphäre und das Ambiente dieses Flaggschiffs stellen einfach alles in den Schatten, das merken auch Laien und die Begeisterung spiegelt sich in den zahlreichen Blogbeiträgen wieder. Wobei nach 18.000 Kilometern (bei manchen nach bald 32.000) wahrlich niemand mehr ein Buslaie ist - und immer noch vom Komfort und der Wohlfühlatmosphäre schwärmt. Klar gibt es Omnibusse, die kosten nur die Hälfte. Natürlich ist der Chauffeur auf einer Reise am allerwichtigsten. Bei einem guten Fahrer ist jeder Bus zunächst einmal gut. Bei diesem Bus weiß ich jedoch, dass es der beste ist - in jeder Hinsicht. Und für Gäste ist doch das Beste gerade gut genug, oder nicht?

Ein Grund mehr, den besten Bus der Welt zu fahren, sind diejenigen, die ihn herstellen. Die wenigsten können sich ausmalen, was in solch einer Reise an Vorbereitung steckt. Auch da fühle mich bei Setra bestens aufgehoben: Man macht sich im Werk schon Gedanken, wie was für mich optimal zu lösen sei und unterbreitet Vorschläge, bevor ich überhaupt so weit bin, mich damit zu beschäftigen. Da heißt es nie "geht nicht". Da muss ich nicht bitten und betteln, wenn mir etwas Spezielles vorschwebt, im Gegenteil, ich finde Unterstützung und Hilfe, weil man MITDENKT! Nicht nur einer denkt mit, sondern das ganze Team quer durchs Werk! Mitdenken ist selten geworden, weil manche nur ihr kleines begrenztes Sichtfeld haben, nicht "belästigt" werden wollen und keine Verantwortung zu übernehmen bereit sind. Nicht so bei Setra. Man versteht spartenübergreifend zu denken und vor allem über den Horizont des Tagesgeschäftes zu hinausblicken! Behandelt hat man mich als Partner, nicht als Kunden, dem man nur etwas verkaufen möchte, sondern man hat meine Sorgen, Nöte, Gedanken und Vorschläge begriffen - und nicht dagegengehalten oder mich schnell abgefertigt, sondern umgesetzt und mich unterstützt. Ich weiß: Gleich unterstellt man mir bei diesen Zeilen, ich würde von Setra bezahlt, aber das ist dummes Geschwätz. Ich bin nach diesen zwei Unternehmungen, Peking 2008 und Shanghai 2010, einfach nur dankbar - dankbar für die sagenhaften Busse und dafür, dass man mich ernst genommen hat.

 Hans-Peter Christoph

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17Jul/10Off

Zum Nachhören: Avantibus in Shanghai

Jaja, schon drei Wochen her - aber auch jetzt noch höchst hörenswert: Heidi Bisang berichtet über Avanti Shanghai.

Teil 1 :

https://www.youtube.com/watch?v=fDEmY56jwUg

Teil 2:

https://www.youtube.com/watch?v=XJXZilDe-ys

Teil 3:

https://www.youtube.com/watch?v=rdwjefjGAOk

Interview vom SWR:

https://www.youtube.com/watch?v=y3c7awYXR5U

Sigrid Hofmaier

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17Jul/10Off

Heidi Bisang: Peking – Basel per Transsib

Liebe Bus- und Flugheimreisende Shanghainesen und – falls es noch welche gibt –
liebe BlogleserInnen,

unsere Bahnreise von Shanghai nach Peking hat mit einer Überraschung begonnen: Anstatt gegen Mittag sind wir bereits um 7 Uhr in der Frühe in Beijing angekommen. Ein superschneller, todschicker Zug neuester Bauart (à la TGV oder Shingkansen) hat uns innert 9 Stunden (statt 13 1/2) in die Hauptstadt „gebeamt“. Weil wir zu fünft zwei Viererabteile gebucht (und auch bezahlt hatten) konnten wir Che einladen mit uns im Schlafwagen zu fahren (er hätte sonst die Reise im Regelzug sitzenderweise überstehen müssen). Es war wie auf der Schulreise, das Gelächter war groß, bis wir – mit tatkräftiger Mithilfe von Che – unser Gepäck in der engen Kabine untergebracht hatten. Che haben wir vor dem Einschlafen dann Ohropax verpasst, auf dass er neben unserem Schnarch-Terzett auch zu ein paar Stündlein Schlaf kommen konnte.

Unsere Zimmer im Novotel waren schon bezugsbereit, also schnell unter die Dusche und ans sehr opulente Frühstücksbuffet. Schon kurz nach 10 Uhr haben wir uns auf die Socken gemacht, Beijing zu erkunden. Auf dem Trommelturm wurden wir für den mühsamen, steilen Treppenaufstieg mit einer Trommelvorführung belohnt. Fünf junge Männer haben auf den großen bis riesigen Trommeln unglaublich gut gespielt, ein Highlight schon in den ersten paar Stunden. Gegen Abend haben wir uns dann wieder mit Che getroffen und er hat uns in ein gutes Restaurant in einem Hutong (altes Wohnquartier) geführt. Ganz in der Nähe wohnte Dominique in einem entzückenden Hutong-Hotel. Dort haben wir sie zu einem „Schlummerbecher“ getroffen und unsere Pläne für die nächsten beiden Tage zu schmieden, die wir vier Omas zusammen mit Che verbringen wollten. Die Verbotene Stadt, den Tienanmen Platz, den Sommerpalast, den Himmelstempel und-und-und - alles haben wir uns angesehen. Es war zwar immer noch ziemlich feuchtheiß, aber wir konnten doch die Sonne sehen durch den Dunst. Beijing ist ganz anders als Shanghai: viel gemächlicher, behäbiger, eine Beamtenstadt halt. Das quirlige, nervöse Leben fehlt hier gänzlich. Dafür halten sich sogar die Taxifahrer an die Verkehrsregeln!! Wir wollten mal ein Taxi anhalten, keines hielt, da merkten wir, wir stehen an einer Straße mit Halteverbot, mussten dann etwa 10 Minuten bis zur nächsten größeren Kreuzung ohne Halteverbot gehen um mitgenommen zu werden! In Shanghai undenkbar. Um spätestens 23 Uhr fährt hier die letzte U-Bahn, dann werden die „Trottoirs hochgeklappt“, Peking geht dann schlafen.

Und wieder hieß es Abschied nehmen, diesmal von Dominique, Gabriele und Che. Auf uns vier (die de Baans, Waltrun und mich) wartete die

Transsibirische Eisenbahn

Pünktlich um 5.30 Uhr in der Frühe holte uns ein Fahrer ab, um uns zum Bahnhof zu bringen. Ausgeladen hat er uns samt unserem Gepäck allerdings auf der „falschen Straßenseite“, d.h. wir mussten unsere ganze Bagage über eine ellenlange Straßenüberführung (etwa 6 Spuren) wuchten, deren Rolltreppen nicht gingen („sorry out of order!!)“. Ich hätte heulen können. Der Zug hat uns dann allerdings sehr positiv überrascht. Zwei nebeneinander liegende Zweier Abteile mit gemeinsamer Dusche. Viel Plüsch und Spitzen, Vorhänge an den Fenstern. Wir wähnten uns im „Orient Express“ zu Agatha Christies Zeiten. Dass die Dusche nicht geht, haben wir dann erst viel später gemerkt.

Gegen 20.30 Uhr haben wir Erlian, den Grenzort zur Mongolei, erreicht. Lt. Schaffner hält der Zug hier zwei Stunden. Die Pässe sind abgegeben, also nichts wie los ins Bahnhofslädeli, um einkaufen zu gehen (Wasser und eine Flasche Wein als Schlummertrunk). Wie wir wieder rauskommen ist der Zug weg! Er wurde aus dem Bahnhof gezogen, um die Fahrgestelle auf die neue Spurbreite zu wechseln. So saßen wir dann – zusammen mit vielen anderen Reisenden – statt beim Schlummertrunk auf einem angeschraubten Stuhl am Bahnsteig (zum Glück so breit wie ein Platz) und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Pünktlich um 23 Uhr kam der Zug wieder angerollt, es konnte weitergehen zum Mongolischen Zoll ein paar Kilometer entfernt. Wieder Pass abgeben und warten, warten, warten. Die Toiletten waren alle geschlossen (weil „altes Direktsystem“) und wir hätten dringen gemusst. Waltrun konnte nicht mehr warten und hat unsere Dusche als Hüsli benutzt -  und da haben wir’s gemerkt: Die Dusche geht gar nicht! „Gespült“ hat sie dann halt mit dem Zahnbecher!!! Um 02.15 Uhr endlich Abfahrt gen Ulan Bator. Erwacht bin ich mitten in der Gobi, wunderschöner Sonnenaufgang (endlich mal wieder trockene Hitze). Um 9 Uhr haben wir uns aufgemacht gen Speisewagen und nicht schlecht gestaunt: Der schöne 30er Jahre-Wagen wurde in Erlian offensichtlich ausgetauscht gegen einen oberkitschigen „Nostalgie“-Wagen. Goldene Vorhänge, „handgeschnitzte“ Bänke mit Löwenköpfen aus Kupfer und Messing. Balalaika und Pfeil und Bogen an den Wänden. Eine Bar mit (leicht antikem) Ghettoblaster. Eine absolute Bombe. Das Frühstück aber gut: Spiegeleier mit Tomaten und Zwiebeln, Brot (endlich, nach fünf Wochen ohne!!), Butter und Gelée, Kaffee (sogar trinkbar) und Orangensaft. Das alles für knappe 10 Franken/7 Euro.

Ulan Bator ist keine schöne Stadt. Ein par Hochhäuser, viele Plattenbauten, Straßen mit Löchern so groß wie Badewannen. Im Hotel bekommen wir dafür Suiten! Die Dusche geht auch da nicht so richtig, entweder verbrühen oder kalt duschen heißt die Wahl.

Die Fahrt nach Karakorum am nächsten Tag war lang und eigentlich für die Katz. Es gibt nur einen Metallbogen mit Inschrift „Karakorum“ zu sehen, der über die Straße gespannt ist. Die Landschaft auf dem Weg dorthin ist allerdings sehr schön und das Jurtencamp wirklich hübsch: Etwa 20 Jurten, jede mit drei Bettlein, einem Tischlein und drei Stühllein, eingerichtet. Ich kam mir vor wie Schneewittchen bei den Zwergen. Alle Möbel mit typisch mongolischen Mustern bemalt.

Der Zug nach Russland (Irkuzk) entpuppte sich als Bummler, ohne Speisewagen. Wir hatten aber keinen Rappen mongolisches Geld mehr (und noch keine Rubel), um uns irgendwas an einem Bahnhof zu kaufen. Von 6 Uhr früh bis 14 Uhr standen wir am mongolischen Grenzübergang. Die Zollformalitäten waren in einer halben Stunde erledigt, wir mussten auf einen anderen Zug warten und dann fing das Rangieren an: Vom Gegenzug wurde Wagen um Wagen einzeln an unseren Zug angehängt. Die Toiletten im Zug waren geschlossen, wir bezahlten der Bahnhof-Toilettenfrau einen US-Dollar, damit wir zu dritt brünzeln gehen durften und uns endlich die Hände waschen konnten und die Zähne putzen (gekostet hätte es etwa 10 Rappen für alle). Bei einem fliegenden Geldhändler habe ich dann (viel zu teuer) zehn Euro gewechselt. Damit haben wir uns dann im nahen Märktlein Wasser, Wurst, Brot, Käse und Tomaten gekauft, unser Mittag- und Nachtessen samt Frühstück kurz vor Ankunft in Irkuzk am nächsten Morgen.

In Irkuzk wurden wir von Ludmilla, unserer Führerin, abgeholt, mit einem 15 plätzigen Bus samt Chauffeur, endlich genug Platz für unser Gepäck samt Velos. Nach Chinesisch und Mongolisch (Mongolisch ist noch unverständlicher als Chinesisch, die Mongolen haben „Knacklaute“ in ihrer Sprache, es tönt als ob alle Leute einen Sprachfehler hätten) kommt uns Russisch direkt „verständlich“ vor. Eine Stadtrundfahrt und einen Rundgang (jetzt sind wieder die Kirchen und Klöster dran) später sind wir dann Richtung Listvianka an den Baikalsee gefahren. Der See ist eine absolute Wucht. Glasklares Wasser (noch keine 10 Grad warm!!!) darum Wälder, Wälder, Wälder und ein paar wenige Dörflein. Russland/Sibirien pur. Strahlendes Wetter, aber im Schatten kühl – endlich brauchen wir wieder ein Jäggli.

Am nächsten Morgen sind wir dann mit einem Tragflügelboot in ein Dorf (Koty) etwa 20 km hinter Listvianka gefahren. Etwa 100 Bauern leben noch dort und der Rest sind Sommerfrischler, die in ihren Datschen oder Gästehäusern ein paar Tage Ferien machen. Das Dörfli sieht aus, wie sich der „kleine Moritz“ eine russische Siedlung vorstellt: Holzhäuslein mit geschnitzten Fensterrahmen, keine geteerten Wege, Kühe, Pferde, Hühner und Hähne, alles läuft frei herum. Eine Luft wie Champagner. Den am Dorfrand gelegenen Dorffriedhof haben wir uns auch angeschaut und dabei viel über die Beerdigungsbräuche in Russland erfahren.

Die Ausstellung, die wir uns im Limnologischen Institut angesehen haben, ist sehr informativ und gut gemacht, echt spannend, was der See so alles hergibt (ein Superlativ am anderen, unglaublich). Auch in Koty mussten wir natürlich das lokale Museümlein besichtigen. Die Leiterin ist Biologin und forscht am und im See. Als Nebenverdienst muss sie das Museum betreuen.So schlecht bezahlt sind die Wissenschaftler  dort offenbar.

Nach einem „freien“ Tag in Irkuzk stiegen wir um 23 Uhr in den Zug nach Moskau. Die zwei Zweier-Abteile wurden unsere Behausung für die nächsten drei Tage bzw. vier Nächte. Zeit zum Lesen und viel schlafen und noch mehr schauen. Nichts als Ebenen bis zum Horizont, mal Wälder (gesunde und tote), mal Sümpfe, mal Wiesen und selten mal ein armseliges Dorf. Waltrun genießt diese Einöde, Verena freut sich an jedem Blümlein und mich deprimiert diese Landschaft nur. Dahin kann man wirklich nur verbannt werden. Kaum ist der Ural passiert (übrigens völlig unspektakulär) spürt man: Wir sind in Europa. Die Dörfer werden bunter, die Zwiebeltürme sind vergoldet, das Leben hat uns wieder. Noch ein paar Stunden und wir sind endlich in

Moskau

Wieder hatten wir Glück: Obwohl wir schon kurz nach halb 6 Uhr morgens im Hotel angekommen sind, waren unsere Zimmer bezugsbereit. Die Zimmer sind schön und sauber, die Dusche funktioniert, das Frühstück ist opulent, Moskau, wir kommen! Schon um 9.30 Uhr hat uns Heidi, eine Freundin meiner Schwester, abgeholt samt Auto und Chauffeur. Sie hat uns ein wunderbares Moskau-Programm zusammengestellt und so können wir alle wichtigen Sehenswürdigkeiten in der kurzen Zeit (nur 2 1/2 Tage) besuchen. Zudem begleitet uns Nelli, eine kunstbegeisterte Reiseführerin, in den Kreml, auf den Roten Platz, in das Jungfrauenkloster samt dem nahe gelegenen Prominenten-Friedhof und in die Tretjakov-Galerie. Mit Heidi bestaunen wir die schönen Metrostationen, wir essen in gemütlichen Beizlein, die wir alleine nie gefunden hätten - kurz wir genießen jede Minute. Moskau ist eine Reise wert!

Und wieder trennen sich die Wege. Die de Baans fahren weiter nach Petersburg und wir zwei verbringen die Nacht im Schlafwagen Richtung

Warschau

Ein Taxi bringt uns ins Hotel, nachdem wir endlich den richtigen Ausgang im Bahnhof gefunden haben. Das Glück bleibt uns treu, mein Zimmer (Raucher) ist bereit. Wir können uns frisch machen und Waltrun kann ihr Gepäck bei mir deponieren. Um 10 Uhr starten wir zu einer Stadtrundfahrt inkl. einem Stadtrundgang. Eine nette, sehr kompetente Studentin führt uns zu allen wichtigen Plätzen in der Stadt. Endlich können wir wieder alles lesen. Hurra, die analphabetische Zeit ist vorbei! Alles sieht aus „wie bei uns“ oder jedenfalls so wie in einer nord- oder ostdeutschen Stadt. Die Altstadt ist sehr schön rekonstruiert. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass nach dem Krieg 95 Prozent in Schutt und Asche lagen.

Fazit

Nicht nur die „lange“ Hinreise im Bus nach Shanghai, auch die langsame Heimreise via Transsib hat sich gelohnt. Der Kulturschock und der Jetlag fallen weg. Bei einer zweiten Transsib-Reise würde ich einen Tag in der Mongolei kürzen und dafür (mindestens) einen Tag länger in Moskau bleiben. Auch auf der Heimreise haben wir viele schöne Begegnungen mit den Menschen der jeweiligen Orte genießen dürfen oder uns in den Zügen mit „Einheimischen“ oder auch anderen Touristen unterhalten können. Allerdings: So bequem wie in unserem feuerroten Doli-Baby sind wir nie gesessen. Das „Verdauen“ der ganzen Reise dauert wohl auch etwas länger.

Adieu

Meinen schon wieder zu Hause eingelebten Reisebegleiterinnen und -begleitern sage ich Tschüss und auf Wiedersehen und den Busrückfahrern wünsche ich gute Weiterreise (ich habe gesehen, dass ihr euren Rückstand auf die „Marschtabelle“ schon fast aufgeholt habt, ihr Tausendsassas), ich hole Euch ab in Pratteln, versprochen!

Herzlichst

Heidi Bisang

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17Jul/10Off

Inge Stagneth: Geduldsproben

Wir fahren zum Sairamsee. Die Straße ist holprig, viele Schlaglöcher, doch die herrliche Landschaft entschädigt für die Mühe. Das Licht und die Wolken bilden einen dramatischen Hinter- und Vordergrund für den See, den wir nach Rütteln und Schütteln erreichen. Ein Fischerboot dümpelt auf dem See, am Rand stehen die Rundhütten der Nomaden, die in den letzten sechs Wochen ihren Sommersitz bezogen haben. Reiter kreuzen mit ihren Schafen die Straße, die Sonne geht unter. Wir freuen uns, eine Nacht und fast einen Tag hier verbringen zu können. Im Hotel werden wir sehr freundlich von den jungen Menschen aufgenommen. Es ist auch nicht so kalt wie das letzte Mal. Das Essen ist sehr gut und der Schlaf erholsam.

Am nächsten Morgen, der strahlend aufgeht, unternehmen wir die kleine Wanderung, welche wir bereits das letzte Mal unternommen haben. Sie führt uns an nackten, frisch geschorenen, weißen Kamelen vorbei. Edelweiß und viele andere herrliche Sommerblumen säumen den Weg und stehen auf den Wiesen. Oben auf dem kleinen Hügel genieße ich, mit Morgensonne, wieder den See, den ich in meiner Erinnerung als „frohen Geistersee“ erlebte.

Am späten Nachmittag machen wir uns auf den Weg nach Korgas, die kleine Grenzstadt. Die Straße, war vor sechs Wochen noch auf beiden Fahrspuren Baustelle. Viele Frauen haben hier große Steine zerkleinert und geschleppt. Heute sehen wir einen enormen Fortschritt. Die Straße ist vorbereitet zum Teeren und wir treffen kaum einen Arbeiter. Alles ist sauber und aufgeräumt. Die Spätnachmittagsonne zeigt uns ein glänzendes Bild in Schärfe und Farbe.

Wir haben die Hoffnung, dass wir nach den zwei Feiertagen problemlos über die  Grenze kommen. Das Hotel empfängt uns mit einem schönen Zimmer und wir fühlen uns wohl.

Der nächste Tag beschert uns Warten. Liu, unser chinesischer  Führer, der für die Grenzformalitäten zuständig ist, geht schon früh am Morgen los, um alle Formalitäten zu erledigen. Wir bummeln derweil im Park, gehen einkaufen, beobachten die Leute und die uns. Nach dem Abendessen treffen wir uns im Bus zum Kino. „Die Kinder der Seidenstraße“, wir trinken eine Flasche Wein und lassen es uns gutgehen. Am Mittwoch fehlen immer noch Papiere oder das Okay von Urumqui, damit unser Bus über die Grenze kommt. Die Zimmer sind verlängert, wir können bleiben. Liu teilt uns mit, dass die Papiere für den Bus zur Bearbeitung für den nächsten Tag als erste bearbeitet würden. Also gehen wir wieder essen. Nun kennen wir uns schon ganz gut aus, es grüßen uns die Menschen des Quartiers, wir ziehen stöbernd durch die Läden, um vielleicht noch ein Andenken das wir noch nicht kennen, mitzunehmen.

Am Donnerstag gilt die Devise: bereithalten für eine rasche Abreise. Den Gärtner der Hotelanlage kennen wir gut, er bringt jeden Morgen  seine fünf kleinen Bibbele mit, die in der Anlage des Hotels nach Futter suchen. Selbst der Hund eines anderen Mitarbeiters schnuppert nur an den kleinen Hühnchen. Wir lesen, schlafen und die Zeit vergeht.

Am Nachmittag machen wir uns Gedanken um das Visum für Kasachstan, das am Freitag ausläuft. Wir lassen uns vorsorglich im nahe gelegenen „Fotostudio“ Passbilder machen, um, wo auch immer, wenn nötig, ein neues Visum beantragen zu können sollten wir es brauchen. Wir sitzen in der Lobby, schneiden unsere neuerstandenen Bilder aus und malen uns unseren weiteren Aufenthalt in China aus. Wir sind guter Dinge und warten. Dann am späteren Nachmittag geht es los. Reza treibt zur Eile, denn wieder droht uns die Schließung der Grenze am Abend. Packen, auschecken, einpacken in den Bus und los zum Zoll. Warten, dann weiter. Es sind nur noch wenige Zöllner zu sehen, ein verdächtiges Zeichen. Wir fragen uns, ob wohl die Kasachen noch da sind. Die chinesischen Sicherheitsmenschen sind schon weg. Kein Zöllner ist in der Lage, den Durchleuchtungs-Apparat in Gang zu setzen. Anscheinend ist der Zuständige schon weg. Und da kommt die Hiobsbotschaft, dass der Zöllner, der den Bus prüfen muss, schon früher nach Hause gegangen ist. Uns fehlen die Worte. Wir können es kaum fassen, dass wir zurück zum Hotel gehen sollen. Einen Moment lang bin ich tief betrübt. Es geht mir auf die Nerven. Für mich sieht es so aus, als ob jeder, der hier herumläuft, ein äußerst wichtiger Mensch ist, der alles zu sagen hat. Aber das geht schnell vorbei, denn ich erlebe es hier nur einmal und die Menschen die hier leben, sind dieser Willkür oder dem Unvermögen jeden Tag ausgeliefert.

Der Bus bleibt auf dem Zollhof stehen. Alles Gepäck muss drinnen bleiben, das heißt, dass wir nicht an unsere Sachen kommen.  Ein Wachmann mit Hund passt auf, dass wir nicht zum Bus gehen. Da kommt, wie ein Wunder, der Zöllner, der früher ging und fertigt den Bus ab. Morgen früh dürfen wir dann, so heißt es, unbehelligt abfahren. Und er gestattet, dass wir jeder ein Gepäckstück mitnehmen dürfen.

Im Hotel werden wir freundlich begrüßt, na ja, man kennt sich ja schon. Wir lassen uns nicht davon abhalten, in einer Garküche Spieße zu essen und Bier zu trinken. Wir sitzen am Fluss, werden von den Mücken angegriffen, sind sehr ausgelassen und entspannt. Dann bestellen wir uns noch Nudeln und unter viel Gelächter ziehe ich die Nudeln mit den Stäbchen hoch und Ina schneidet mit dem Taschenmesser die Nudeln klein. Wir schmieden wieder Pläne, was wir anstellen wollen, wenn die Chinesen uns hier nicht mehr weglassen. Zwei Tage später erhalte ich eine SMS von meinen Töchtern, in der sie mich fragen, ob ichzwischenzeitlich in China wohne, denn der Bus bewege sich nicht weiter. Korgas als Urlaubsdomizil. Wir werden es weiterempfehlen.

Am nächsten Morgen sind die Angestellten des Gasversorgers, mit denen wir zusammen in der Kantine das Frühstück einnehmen, ganz verstört, dass der Bus weg ist, wir aber noch da sind. Drei winzigkleine dreirädrige Autos bringen uns zur Grenze.  Wir sitzen zu dritt mit Gepäck in einem und das Kleine hat Probleme, uns und die Koffer zu befördern. Sie bringen uns an einen illegalen Eingang, denn da sie keine offiziellen Taxis sind, dürfen sie nicht zum Haupteingang fahren. Aber nach langem Hin und Her bringen sie uns soweit es geht an den Eingang.

Eine Traube von Menschen wartet bereits am Tor und Punkt 10.30 Uhr wird dieses geöffnet. Ein unvorstellbares Gedränge und Geschiebe beginnt. Durch eine enge Gasse müssen wir uns durchmogeln, um dann im großen Hof und im Gebäude zu landen. Wir können es kaum fassen: Nach nur einer Stunde stehen wir, mit Bus, bei den Kasachen. Wir sind schnell durch den Zoll, aber unser Bus, der Gute, dem fehlt schon wieder wohl ein Papier. Dieses Mal ist es eine Versicherung. Da die Zöllner Mittagspause haben, wird Wolfram mit in die Kantine genommen und bekommt auch ein Essen. Doch nach essen, so erzählt er später, war ihm aber gar nicht. Die Gespräche drehen sich darum, was dieses Papier kostet. Am Ende sind es 450 US Dollar ohne Quittung. Für uns ist mittlerweile klar, dass wir eine Nachtfahrt nach Tarras vor uns haben mit ca. 800 Kilometern, mit schlechten Straßen. Nach allen Kontrollen von Seiten beider Grenzen nehmen wir Serge, unseren Begleiter, der vier Tage an der Straße auf uns gewartet hat, auf. Er ist froh, als wir endlich ankommen.

Wir sind aus dem Reiseplan gefallen und müssen schauen, dass wir weiterkommen.  Alain, unseren zweiten Fahrer, der uns auch schon seit einigen Tagen in Almaty erwartete und so einsam war, ohne „Büs“ und ohne Reisende, nehmen wir am Flughafen, nach Absprache, auf. Nach einem guten Essen auf einer Autobahnraststätte fährt Wolfram bis 4.50 Uhr zum Ziel.  Schon bei der Hinreise hatten wir hier nach einer langen Nachtfahrt eine kurze Nacht.

Wenig Schlaf und gutes Frühstück. Heute bis nach Samarkand, unterbrochen von einer Grenze. In Zahrkent. Mittagessen in einem kleinen Lokal im Garten. Der Fußboden wird gewässert, um etwas Kühlung zu bringen. Da die Straße schlecht ist, brauchen wir bis zum Nachmittag um an die Grenze zu kommen. Serge verabschiedet sich. Es sind wenig Menschen da, keine Lastwagen zur Abfertigung, es ist Sonntag. Wir erspähen Murat auf der anderen Seite in Uzbekistan und sind erstaunt, wie schnell wir die Grenze passieren können.

Auch Murat hat lange warten müssen.  Auf der vierspurigen Landstraße fahren wir weiter. Manchmal kommen uns Fahrzeuge entgegen. Sie blinken auf, damit der Fahrer sie sieht. Bauern treiben ihre Rinder- und Schafherden auf dem Seitenstreifen. Eselwagen, gezogen von einem oder zwei Eseln, fahren auf die Felder. Die Menschen winken. Die Baumwollfelder blühen gelb und weiß. Sonnenblumen geben farbige Akzente. In den Dörfern sitzen die Menschen vor den Häusern, es ist Sonntag, die Männer spielen, die Frauen reden. Die Landschaft ist herrlich.

Auf der Fahrt an die turkmenische Grenze verbringen wir die Mittagspause auf dem Karawanen-Markt in Buchara. Ina hat den Fahrern eine knappe Zeit abgerungen, denn ein Teeservice, das schöne, typische muss sein. Lange sind wir auf dieser Reise mit Ina auf Teekannensuche gewesen. Die mit Mao-Bild wollte sie nicht, auch die mit einem großen Hirsch hat sie abgelehnt, denn es war eine bestimmte Teekanne, die sie nun hier gefunden hat. Inas Auftragseinkäufe konnte sie, trotz schlechtem Gewissen nicht tätigen, da die Zeit viel zu kurz, der kleine Laden, in welchem die Porzellan-Waren dicht an dicht auf dem Boden standen, zu eng und der Verkäufer von so vielen Käufern überfordert war. Wolfram und Alain ließen sich anstecken und jeder kam mit Beute zum Bus. Verena und ich kauften für mich ein leichtes Baumwollkleid für den Iran, was ich später aber nicht tragen konnte, da es viel zu kurze Ärmel hat.

Murat verlässt uns an der Grenze und Elena, unsere Führerin in Turkmenistan, ist glücklich, als wir verspätet an der Grenze ankommen. Wir sind nicht nur ein paar Tage zu spät, sondern auch heute sind wir spät gekommen. Kurz nach der Grenze stehen wir am Oxus. Heute hat er nicht so viel Wasser, aber dafür strahlt er im Abendlicht. Natürlich wollen wir den großen Fluss zu Fuß überqueren. Ein tolles Gefühl, in der Mitte der Brücke stehen zu bleiben und die Größe zu ermessen.

Wir haben wieder eine Nachtfahrt bis Mary vor uns, essen Melone unterwegs im Bus und in Mary nehmen wir noch unseren Schlummertunk ein.

Frühstück im Freien, vor den Blumenbeeten. Elena umsorgt uns. Um 14 Uhr sollen wir an der Grenze sein. Elena weiß eine Abkürzung, die uns eine Stunde schneller dorthin bringen soll. Ina ist der meistgerufene Name derzeit im Bus. Ina bringt Kaffee, Tee, Kekse, Schokolade, Zuspruch, Ina bringt Geld, Ina beantwortet Fragen, wo und wann Pause, Ina kocht Suppe, kauft ein, legt Geld aus, putzt die übergelaufene Kaffeemaschine, macht Abrechnungen, Umrechnungen der Währungen. Wir fahren an Salzseen vorbei, die schön aussehen aber, wie Elena sagt, total giftig sind von den Pestiziden, die von der Landwirtschaft benutzt wurden. Heute lagert hier giftiges Salz. Eine schmale, mit Schlaglöchern durchsetzte Straße nötigt zum Langsamfahren. Die Wüste ist fast menschenleer. Doch ab und zu kleine Gehöfte. Elena erklärt, dass die Menschen hier vom Opiumanbau leben. Komisch ist, dass uns keine Autos begegnen. Plötzlich Wachposten, eine Schranke über die Straße. Elena spricht sehr lange mit dem diensthabenden Soldat. Derweil schauen wir den Soldaten beim Kochen zu. Es ist Mittagszeit. Ein Hund setzt sich ins Wasser zum Abkühlen. Wir haben eine große Melone an Bord, teilen sie mit den Soldaten, die sich freuen und geben ihnen unser Bier, das wir in den Iran nicht mitnehmen können. Endlich können wir weiter. Eigentlich durften wir diese Straße gar nicht befahren, sie ist für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Dank Elena sind wir durch.

Ein- und Ausreise sind problemlos, außer dass wir Frauen wieder Kopftücher tragen müssen. Heidy sieht fast wie eine Piratenfrau aus, es ist lustig. Reza ist da und wir freuen uns alle über das Wiedersehen. Wir übernachten in Mashad am Rande der Stadt. Nach dem Essen ein kleiner Bummel, der uns in einen Supermarkt führt, in dem es alle westlichen Köstlichkeiten für viel Geld gibt. Aber außer Saft können wir warten, bis wir zu Hause sind.

Lange Fahrt bis Teheran, ca. 800 Kilometer. Wüste, Wüste, Wüste. Kamele und Dromedare, kleine und große. Mittags  lassen wir es uns gutgehen im Restaurant bei Spießen und Reis. Wir sind im selben Hotel wie auf der Hinfahrt untergebracht. Das haben wir wegen der Zimmer noch in schlechter Erinnerung. Verena und ich haben eines, das sich nicht schließen lässt. Wir können wechseln. Verena kann hier nicht schlafen wegen Elektrosmog. So teile ich mit Ina ein Zimmer. Der Flur, erst neu gemacht, sieht aus, als ob es hier zum Puff ginge oder als ob man sich in einem Horrorfilm befände. Graue Wände mit roten Zacken, ich kann kaum hinsehen.

Täbris ist heute unser Ziel.

Um 5.30 Uhr wechseln Alain und Wolfram ein Rad, welches platt ist. Damit verzögert sich die Abfahrt,aber nicht ohne vorher noch Bilder mit Panda und Verena, mit Wolfram und mit allen gemacht wurde. Wolfram fliegt heute nach Berlin und wir sind dann zu fünft, Alain und vier Frauen. Wir werden  Wolfram vermissen, hat er doch viel und gerne mit uns gescherzt und Witze gemacht. Ist sehr gut gefahren.

Großer Schreck, Hans-Peters IPod ist weg! Gestohlen aus dem Bus bei Reifenwechsel. Was sehr schlimm für ihn sein wird: Seine Musik, die er in aller Welt gesammelt hatte, ist darauf. Alain und wir auch sind betroffen.

Der Reifen muss repariert werden, denn ohne Ersatzreifen in der Wüste, das geht nicht. Reza findet eine Werkstatt. Dort wird eine dicke lange Schraube aus dem Reifen geholt und der Reifen wird fachmännisch verarztet. Kaum fahren wir ein paar hundert Meter, zeigt die Elektronik, dass ein Wasserschlauch geplatzt ist. Die Kühlflüssigkeit tritt aus. Reza ruft die Werkstatt an und ein Automechaniker kommt mit Auto und kleinem Söhnchen. Leider findet sich unter den Ersatzteilen kein Wasserschlauch. Also setzt sich Reza in ein Taxi, um einen zu besorgen. Als er zurückkommt stellt sich heraus, dass der Schlauch nicht passt, also wieder ins Taxi und noch einmal los. Wir vergnügen uns derweil bei Händlern, die am Straßenrand eingelegte Salztrauben und Melassen-Saft von Trauben verkaufen. Es ist ein lebhafter Handel. Zum Schluss nehme ich mir auch eine Flasche mit eingelegten Trauben mit. Bin gespannt, wie sie schmecken. Nun rollen wir weiter. Keine besonderen Vorkommnisse mehr bis Täbriz. Das Hotel ist schön. Wir kaufen Nüsse und Süßigkeiten und genehmigen uns einen kleinen Bummel im Bad der Menge.

Heute ist Endpunkt Dogubayzit

Eine Landschaft wie gemalt in Formen und Farben. Grüne Hügel, durchsetzt mit goldenen, abgeernteten  Kornfeldern, die nicht gerade, sondern in Wellen und Kreisen ausgesät wurden. Manchmal wie Flüsse, die sich verzweigen und manchmal geometrische Figuren. An der Grenze zur Türkei regelt Reza den Verkehr. PKWs haben die Busspur zugestellt und es gelingt ihm, alle ungefähr sechs Wagen zurücksetzen zu lassen, damit wir nicht auf deren Abfertigung warten müssen. Dann nehmen wir, nachdem Reza Alain bei den Formalitäten behilflich war, Abschied von ihm. Von nun an haben wir keinen Reiseleiter mehr. Ein Mittelsmann übernimmt die Papiere von Alain für den Bus und organisiert eine schnelle Abfertigung an der türkischen Grenze.

Wir finden problemlos unser Hotel und fühlen uns schon fast wie daheim.

Inge Stagneth

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11Jul/10Off

Hans-Peter Christoph: Nichts ist einfach in Zentralasien

Es sind nicht mehr sehr viele, die verfolgen, wie der Bus seinen Weg Richtung Europa macht, aber bevor er nun im Iran für drei Tage endgültig vom Bildschirm verschwindet, bevor er in der Türkei wieder auftaucht, schreibe ich hier für alle, die noch dabei sind, einen kurzen Rückblick.

Am Sonntag, 4. Juli fuhren wir nach einem Ruhetag in der Oase Turfan weiter Richtung Grenze. Wir wollten am Montag China verlassen und nach Kasachstan einreisen. Aber noch in Turfan erreichte uns die Nachricht, dass die Grenze am Montag und Dienstag dicht sei. Die Grenze sei geschlossen und es fände keine Abfertigung statt, weil die Kasachen zwei Tage Ferien machten. Nationalferien übrigens - diese regierungsamtliche Verordnung war keine Woche vorher erlassen worden. Sonst hätten wir anders geplant. Man stelle sich vor, unsere Bundesregierung beschließt heute, dass nächste Woche zwei Feiertage seien und sämtliche Behörden, Schulen usw. hätten geschlossen. Ein Unding, dieser extrem kurze Vorlauf - nicht jedoch in Zentralasien, wo andere Gepflogenheiten herrschen. Für uns hieß das, dass der gesamte Rückfahrplan durcheinander kam. Die Grenze würde erst am Mittwoch öffnen und nicht am Montag. Wir hingen fest. Für mich persönlich, der ich am Mittwoch von Almaty/Kasachstan nach Griechenland fliegen wollte, um dort in Ruhe das Jahresprogramm 2011 vorzubereiten, hieß das, dass mein Ticket auf alle Fälle platzen würde. Deshalb stieg ich schon auf dem Weg zur Grenze in Urumqi aus und flog am Montag nach Athen. Die anderen Rückreisenden machten sich noch einen schönen Tag am Sairam-See und fuhren dann weiter Richtung Grenzort, sie hatten ja plötzlich viel Zeit. Alain, der bereits in Almaty war und dort in Kasachstan wartete, um meinen Platz als Fahrer einzunehmen, musste sich ebenfalls gedulden.

Aber es kam schlimmer! Denn am Mittwoch ließen sich die Chinesen bei der Abfertigung des Busses viel Zeit. Unendlich viel Zeit. Es passierte wie bei der Einreise nach China vor sechs Wochen nämlich gar nichts. Ein Beamter in Urumqi bewegte sich nicht, um den entscheidenden Stempel auf die Papiere zu platzieren. Am Mittwoch bewegte er sich nicht und auch am Donnerstag fand er keinen Grund, tätig zu werden! Was letztendlich dahintersteckte, werden wir nie herausbekommen. Hatten wir dieses Mal die falsche Agentur? Es sieht danach aus, denn vor zwei Jahren hatte (mit einer anderen Agentur) diesbezüglich alles bestens geklappt, bei der Ein- wie bei der Ausreise.

Unsere Gruppe um Wolfram mit Ina, Verena, Inge und Heidi saß also richtig fest. Erst zwei Tage wegen der Kasachen, dann zwei Tage wegen der Chinesen! Am Freitag schließlich - mit viertägiger Verspätung - rollte der Bus endlich in Kasachstan wieder gen Westen! Alain stieg in Almaty zu, nachdem er dort ebenfalls vier volle Tage mit Warten zugebracht hatte. Der Ärger war aber noch nicht zu Ende: bei der Ausreise nach Usbekistan machten die Kasachen wieder Theater, die gleichen wie bei der Einreise zuvor. Wieder verstrich die Zeit und erst nachdem 450 US-Dollars - ohne Quittung selbstverständlich - die Besitzer gewechselt hatten, konnten unsere Jungs und Mädels weiterfahren. Gestern war das. Heute, am späten Sonntagabend, ist die Gruppe mittlerweile in Mary/Turkmenistan, am Montag reist sie in den Iran weiter, wenn alles gut geht. Die Stimmung ist aber gut in der Gruppe, versichert man mir per SMS; na dann also weiterhin viel Spaß! Zu verfolgen via GPS ist der Bus vorerst wohl nicht mehr, er ist erst wieder zu sehen, wenn er die iranisch-türkische Grenze am Donnerstag erreicht, falls nicht noch weitere Probleme auftauchen.

 Hoffen wir, dass alles klappt und drücken wir ihnen die Daumen!

 Hans-Peter Christoph

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11Jul/10Off

Dominique Ortner: Angekommen bin ich nicht wirklich…

Einige Teilnehmer der Reise  rasen durch Zentralasien in Richtung Teheran, andere sitzen/schlafen im Zug irgendwo zwischen Irkutsk und Moskau. Aber der größte Teil der Mitreisenden ist  wieder in Europa gelandet. So wie ich seit ein paar Tagen. Angekommen bin ich trotzdem lange noch nicht. Der Koffer ist ausgepackt, der Inhalt gewaschen und  aufgeräumt, die "Erinnerungsstücke", wie Stadpläne, Eintrittskarten, Belege jegliche Art sogar nach Orten sortiert, und doch hier und da bin ich nicht. Heute z.B. war ich bei einer ganz fantastischen chinesischen Hochzeit mit viel Geschrei, Pauken und Trompeten. In der Siedlung zogen die Kerwa-Buam mit viel Lärm durch die Straßen. Aus der Traum!... Ich war im Garten eingeschlafen. Nein, angekommen bin ich nicht wirklich.

 Es kommen immer wieder Bilder hoch: Wie die Näherinnen von Turfan. Im Erdgeschoss eines großen Gebäudes im Bazar arbeiten die Näherinnen. Die "Kojen" sind ca. 2,50 m mal 3,50 m. Manchmal etwas größer. Drei Seiten sind voll behangen mit allen möglichen Stoffen, in allen Farben, seidig glänzend, mit Perlen und verschiedenen Ornamenten geschmückt, gemustert, einfarbig. Eine Pracht die den Atem raubt. Vorne hängen Borten, Passamenten in allen Größen und Art auch Volants, Perlen, Glasketten und allerlei Verzierungen. Die dritte Seite ist zum Gang offen und der Gang ist nicht gut beleuchtet. Da arbeiten die Näherinnen, 3, 4 bis 6 Frauen haben dort ihre Tische und nähen mit der Maschine, mit der Hand, schneidern, bügeln. Wenn der Platz nicht reicht, wird der Stoff am Boden geschnitten. Die fertigen Kleider hängen an den Wänden. Die Kundinnen suchen sich die Stoffe und die Verzierungen aus. Wollen sie ihr Kleid anprobieren, wird eine der Stoffbahnen auseinandergefaltet (sie hängen ja an der Decke) und dahinter ist die "Kabine".  Eine Frau, müde, schläft den Kopf auf den Armen. Dort gibt eine junge Frau Ihrem Kind die Brust. Drüben schläft ein Baby auf einen Stapel seidiger Stoffe. Dazwischen spielen Kinder. die Frauen lachen, machen Witze, essen, trinken Tee aus Ihren großen Kannen und nähen. Sie laden mich ein und machen einen Hocker frei von Stoffen, damit ich mit hinsetzen und zuschauen kann.

Ein Stockwerk höher sind Friseure und Friseusen am Werk. Jeder kann schauen und bewundern oder kritisieren, wie der/die die Nachbarin frisiert. Die Damen werden von Frauen frisiert und die Herren von Männern. Alles nebeneinander bzw. gegenüber. Gesichter werden massiert, geschminkt. Eine Braut mit weißem Rüschenkleid kommt mit perfektem Make up und hochgesteckte Frisur aus einem Friseursalon; mit ihr die Brautjungfer, die eine in rosa, die andere in blau bekleidet, alle mit Festfrisuren und toll geschminkt und laufen aufgeregt die Treppen herunter. Vermutlich wartet die Hochzeitgesellschaft unten.

Oder ein anderes Bild : In Jiayuguan spielen ältere Herrschaften so etwas wie Boccia. Damit ich gut sitze auf der Mauer, bieten mir die Herren ein großes Stück Pappe an. Ich soll meine Kleider nicht schmutzig machen. Es wird eifrig gefragt, wo ich herkomme, wo ich hinwill, was ich hier tue. Gott sei Dank reichen meine Kenntnisse der Sprache gerade noch für so etwas.

Oder die Tauben von Zhangye : In der Nähe einer buddhistischen Pagode hat man eine große Plastikwanne mit Wasser aufgestellt. Dort können die Vögel baden und trinken. Händler verkaufen kleine Tüten mit Mais und Getreidekörner und die Tauben sind so zahm, dass sie die Körner aus den Händen der zahlreichen kleinen Kinder fressen, zu deren größte Freude.

 Oder tagelang bei 30 Grad und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit die Landschaften und Städte im Dunst erleben, und den Eindruck haben, dass die Sonne sich wohl verabschiedet und Haut und Kleider nie mehr trocknen werden.

 Oder in Tchongqing, Stadt an den zwei Flüssen. 300 Tage Nebel im Jahr. Die Chinesen der anderen Gegenden witzeln und sagen," wenn die Sonne in Tchongqing scheint, dann bellen die Hunde": Beim Spazieren in der Altstadt scheint doch mal die Sonne. Zwei Frauen unterhalten sich und haben Hunde dabei. Die Hunde kläffen so laut, dass man seine eigene Stimme nicht mehr hört. Also stimmt der Spruch, wir haben es wirklich erlebt!

 Oder das winzige Teehaus in den Gärten des Präsidential-Palastes in Nanqing: so winzig und hübsch wie ein Puppenhäuschen. Dort serviert man uns den Tee nach allen Regeln der chinesischen Teezeremonie. Es  herrscht die größte Ruhe, obwohl in der gesamten Anlage die Besucher strömen und entsprechende Lautstärke herrscht.

 Oder die Hochhäuser von Shanghai, verschwommen im Regen, wo der "Flaschenöffner" (ca. 550m), das momentan weltweit höchste Hochhaus, in den Wolken verschwindet. Oder, oder, oder... es sind noch so viele Bilder die auftauchen, jetzt im Nachhinein, dass es nicht möglich scheint noch mehr zu beschreiben.

 Nein, angekommen bin ich überhaupt noch  nicht. Vielleicht irgendwann mal...

 Dominique Ortner (Duo Mei Ni Kè)

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