Barbara Volhard: Dunhuang – Lanzhou
05.06. Samstag 53. Tag Dunhuang – Jiayuguan Von Dunhuang aus geht es auf Landstraßen und Autobahnen weiter nach Jiayuguan, der traditionellen Grenze des Han-Reiches und dem Ende der Großen Mauer der Ming-Dynastie (1368-1644).
06.06. Sonntag 54. Tag Jiayuguan – Zhengye Jiayuguan markierte die traditionelle Grenze des Han-Reiches im Westen. Hier endet auch die Große Mauer der Ming-Zeit. 1372 wurde mit der Errichtung einer großen Festung begonnen, die während langer Perioden den letzten Außenposten des chinesischen Reiches bildete. Sie erhielt den Beinamen »Der erste große Pass unter dem Himmel«. Mit dem Begriff Pass waren allerdings keine Gebirgspässe gemeint, sondern Burgen oder Festungen, die man auf seinem Weg passieren musste. In Jiayuguan bekamen durchreisende Händler die Einreiseerlaubnis ins Reich der Mitte und konnten anschließend nach Jiuquan weiterreisen. Im modernen Jiayuguan leben rund 100.000 Einwohner einschließlich der Angehörigen von vierzehn Nationalitäten wie den Hui, Uiguren, Mongolen, Dongxiang unter anderem, die von der Arbeit in der nicht zu übersehenden Stahlhütte und in anderen Industrien wie dem Maschinenbau und der Chemieindustrie leben. Der Jia Yu Pass bildet das westliche Ende der Großen Mauer. Auf dem Pass wurde im Jahre 1372 eine Festung errichtet. Die Anlage umfasst eine 10 m hohe und über 700 m lange Mauer mit Schießscharten und vier Wachtürmen an den Ecken. Das äußere Tor der westlichen Seite heißt Jiayuguan. Im Inneren dieser Verteidigungsanlage befanden sich die Unterkünfte der Soldaten, Stallungen und Lagerräume. Die Planung der Anlage soll derart genau gewesen sein, dass alle bis auf einen Stein verbaut wurden. Dieser letzte Stein wird bis heute in der Festung aufbewahrt. Wir besichtigen die Festung und fotografieren uns zum ersten Male gegenseitig auf der chinesischen Mauer. Es ist ein erhebendes Gefühl, es schon so weit über Land geschafft zu haben, wofür in früheren Jahrhunderten die Karawanen auf der Seidenstraße mehrere Jahre brauchten. Am späten Nachmittag fahren wir auf der Autobahn noch rund 200 km bis Zhengye und bleiben dort für einen Tag, bevor wir am übernächsten Tag in die Hauptstadt der Provinz Gansu nach Lanzhou weiterfahren.
So, jetzt waren wir also auf ihr, der Mauer. Aber zunächst ging es mal wieder um Mythenzertrümmerung. Denn so, wie wir die Mauer aus Bildern kennen, ist sie nur bei Peking. Dass sie sogar aus dem All zu sehen sei, ist angeblich auch nur ein Mythos. Sie war auch nie wirklich durchgängig und diente weniger der Abwehr von Feinden als vielmehr dazu, die Karawanen zu zwingen, durch ein so von einer Festung bewachtes Tor zu ziehen und dort ihren Zoll zu zahlen. Die Festung ist sehr imposant, ihre Einnahme war praktisch unmöglich, es wurde allerdings auch nie versucht. Ein intelligentes System von Höfen: Hätte der Feind ein Tor durchbrochen, wäre er in einen Hof geraten, in dem er 1. sich zur Seite gegen das nächste Tor hätte wenden müssen und 2. von oben in dieser Einkesselung leicht zu beschießen gewesen wäre. Hinter dem nächsten Tor liegt dann der nächste Hof usw. und noch lange nicht die Festung selber.
Von dieser Festung ging nun die Mauer weg. Eine Lehmmauer, etwa 2,50 m hoch, etwa 30-40 cm dick. Erst, wenn sie den Berg hoch geht, wird sie breit genug, dass man darauf laufen kann, dazu gibt es in regelmäßigen Abständen Wachttürme, die per Strickleiter besteigbar sind. Obwohl die Mauer also nicht so imposant ist wie in Peking, so ist dieses Bauwerk den ziemlich steilen Grat hinauf wirklich eindrucksvoll genug. (Siehe Bilder)
Danach besichtigten wir auf dem Weg nach Zhengye noch eine Grabanlage aus der Wei-Dynastie (ca. 3.-6. Jh.), die noch erhalten und mal nicht von den Roten Garden zerstört worden war. Es war das Grab eines Ehepaars, vermutlich wohlhabende Leute, bestehend aus drei Kammern, die mit kompliziert und ohne Mörtel geschichteten Ziegelsteinen überkuppelt waren. Der Eingang war verziert mit Backsteinen, in die Reliefs eingebrannt waren – durfte man leider nicht fotografieren. Im Inneren Malereien auf Backsteinen, die das tägliche Leben der Leute darstellen, z.B. wie ein Schwein geschlachtet wird, dann gehäutet, dann zerteilt, und am Schluss sieht man dann die fertigen Stücke hängen. Jeder Backstein ein Bild. Oder wie die Frauen Essen zubereiteten, oder Maulbeeren ernteten usw. Desgleichen die Männer auf der Jagd. (siehe Bilder) Die Bilder, die ich euch schicke, stammen aus dem Museum, in dem man einige solche Malereien zum Fotografieren freigegeben hat.
07.06. Montag 55. Tag, Zhengye Ein Ausflug bringt uns ins nahe gelegene Bergland, in dem sich Tibeter niedergelassen haben. Wir besichtigen tibetische Klöster und kommen in Dörfer, wer möchte, kann hier auch eine kleine Wanderung unternehmen. Gegen Abend genießen wir in Zhengye das chinesische Leben und tauchen ein in das typische Treiben einer chinesischen »Kleinstadt«.
Dazu schicke ich euch einfach ein paar Bilder. Die Klöster sind z.T. in den Fels eingegraben, ihre Vorbauten hängen dann wie Balkons an den Felswänden. (siehe Bilder) Es goss leider in Strömen, so dass wir nur unter Schirmen „wandern“ konnten. Auf der Rückfahrt fotografierten wir noch eine Ziegelei: Lehmziegel werden dort von Frauen in unendlichen Reihen zum Trocknen aufgeschichtet.
In Zhengye konnten wir noch eine Pagode besichtigen und einen der größten Buddhas der Welt, den liegenden Buddha (siehe Bilder).
Die Stadt selbst wie üblich: in den Außenbezirken und hinter eleganten Fassaden noch ärmliche Lehmbauten, die aussehen, als würden sie verfallen. Ganze Stadtviertel mit mehrstöckigen Häusern, von Industrieabgasen verdreckt, aber ALLE mit Solarkollektoren auf den Dächern. (siehe Bilder)
08.06. Dienstag 56. Tag Zhengye – Lanzhou Von Zhangye geht es heute auf der Landstraße ca. 500 km weiter nach Lanzhou, und nie wird es nur eine Sekunde langweilig, aus den Busfenstern zu sehen! Lanzhou liegt am Oberlauf des Gelben Flusses – des Huang He und ist umgeben von Lösbergen, deren gelbe Farbe bei der Namensgebung des Huang He Pate stand.
Diese Solarkollektoren, die man übrigens in allen Städten auf diesen mehrstöckigen Häusern sieht, sind nur EIN Zeichen der wirklich ungeheuren Anstrengungen, die China für den Umweltschutz unternimmt. Nicht dass ein Umweltbewusstsein schon in der Bevölkerung verankert wäre, dazu sieht man zu viel Müll selbst in Naturschutzgebieten achtlos weggeworfen. Aber die Regierung veranlasst wirklich Beeindruckendes. Wir kamen an riesigen Windparks vorbei, mehrere Kilometer lang und breit in der Wüste mit Hunderten von Windmühlen, die bereits große Mengen von Strom produzieren. Und es gibt ein enormes Aufforstungsprogramm. Das konnten wir schon während unserer ganzen Fahrt durch China sehen. Überall Reihen von kleinen Bäumchen, von den Oasen ausgehend immer weiter in die Wüste hinein. Sogar entlang der Autobahn, manchmal buchstäblich zwischen die Felsen und die durch sie hindurch führende Straße wurden Bäume gepflanzt. Recht ärgerlich für uns: die z.T. schon recht hohen Bäume versperren uns immer wieder den Blick und die Möglichkeit zu fotografieren.
Als wir lange vor Lanzhou durch das Lössgebirge kommen, fällt uns auf, dass die Berge, die eigentlich fast kahl und nur von einer dünnen Grasnarbe mit einigen winzigen Stauden dazwischen bedeckt sind, alle merkwürdig quer gestreift sind. Es können keine künstlichen Terrassen sein, meinen wir, die Streifen sind, wenn wir näher an so einem Berg vorbeikommen, höchstens 10-15 cm breit. Einige vermuten, dass es sich um Gesteinsschichten handeln müsse. Aber Linus klärt uns auf: es sind doch von Menschenhand geschaffene Kleinst-Terrassen, in denen winzige Bäumchen angepflanzt sind, die man nur im Vorbeifahren nicht sieht, weil sie noch so klein sind. Wir können es kaum glauben, denn diese Streifen gehen bis in höchste Höhen, befinden sich auch an Steilhängen, die doch kaum einer hochklettern kann. Und das über Kilometer und Kilometer, nicht nur an der Straße entlang, sondern sichtlich auch weit ins Land hinein! Einfach unglaublich, aber als wir der Stadt näher kommen, sehen wir, dass offenbar schon etwas ältere Bäumchen schon höher gewachsen sind, und noch näher der Stadt sind sie schon recht groß geworden. Offenbar wird diese Aufforstung in konzentrischen Kreisen um die Orte herum langsam immer weiter getrieben. Getan wird dies von Menschen, Maschinen wären da nicht einsetzbar. (siehe Bilder).
Wie überhaupt: vieles, was bei uns selbstverständlich von Maschinen getan wird, wird hier noch von Hand getan – Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Regierung, wie uns Che erklärt. Wir konnten einen Mann beobachten, der ganz alleine mit einem Vorschlaghammer eine asphaltierte Straße aufbrach!
Aber ich muss Schluss machen, damit ich dies heute noch wegschicken kann.
Barbara Volhard
[nggallery id=21]
Heidi Bisang: Unterwegs in Bilderbuch-China
Liebe Shanghai-Reise-VerfolgerInnen,
ach Leute, die Reise ist und bleibt eine Wucht! Ich muss mich noch immer mal kneifen, um zu wissen, dass ich nicht träume. Wir sind im Bilderbuch-China angekommen. Der Weg von Lanzhou nach Maijishan führte uns bergauf und bergab durchs grüne hügelige China, vorbei an wunderschönen Reisterrassen, Maisfeldern, Obstplantagen und – und - und. Dazu durch schmucke Dörfer mit schönen Bauernhöfen (die Dächer alle geschwungen!). Wir konnten uns kaum sattsehen. Traumhaft!
Die Apfelplantagen sind für uns allerdings „gewöhnungsbedürftig“. Eigentlich ist das Klima auf diesem Abschnitt nicht wirklich apfelfreundlich, zu heiß und zu trocken. Die Bauern verhüllen daher kurz nach der Blüte alle Miniäpfelchen mit einer ziemlich dicken Papiertüte, auf dass die Äpfel da rein wachsen. Das sieht zum Schreien aus und bringt auch nicht wirklich gute Äpfel hervor. Jedenfalls waren die chinesischen Äpfel, die ich bisher gegessen habe zwar immer makellos, aber halt fade (zu wenig Säure und zu wenig Süße) und oft auch ein bisschen mehlig.
Aber eigentlich will ich Euch heute von
Pleiten, Pech und Pannen
berichten.
Wirkliche Pleiten haben wir bis jetzt allerdings nicht erlebt, die stehen nur dem Titel zuliebe da. Mal war vielleicht ein Hotelzimmer nicht so toll, wie wir’s uns vorgestellt haben, oder ein Essen nicht sooo lecker, von Pleite kann man da aber nicht reden. Pech hatten einzig die Wanderer im Bergland bei den tibetanischen Klöstern, die Wanderung fiel buchstäblich ins Wasser. Ein eiskalter Regenguss (auf über 2.000 Metern Höhe) hat die Wandervögel zurück zum Bus, ins Trockene getrieben. Ein wenig Pech hatten wir auch heute früh, als wir meinten, alleine die buddhistischen Grotten besuchen zu können. Als wir ankamen, war da 1. ein riesiger Autoconvoy (Polizeiautos, Limousinen, Kleinbusse), 2. wohl eine Hundertschaft von Aufsichtspersonen und Polizisten und 3. Tausende von Besuchern. Der Chef der Provinz hat ausgerechnet für heute einen „Grottentag“ ausgerufen. Alle Schüler haben frei, alle Arbeiter und Angestellten auch und der Eintritt ist gratis. Wirklich schlimm war’s aber nicht, die lange, lange Schlange der Besucher ging recht zügig durch und die Sicht in die Grotten und die darin erhaltenen Statuen und Malereien wurde nicht beeinträchtigt. Die Exoten des Tages (bei den Kids und Jugendlichen die Attraktion) waren allerdings wir Europäer. Der Weg durch den Naturpark zurück zum Hotel glich einer „Radio Wanderung“. Die Chinesen genießen den geschenkten Tag beim Picknicken und Spazieren durch den riesigen Hotelgarten und das umliegende Gelände. Die Damen flanieren in pastellfarbenen Sonntagsgewändern unter dito Sonnenschirmen, traumhaft und wunderschön, kurz: Das Pech hat sich zum Glücksfall entwickelt.
Dafür kann ich von einer echten kleine Panne berichten. Unser feuerroter Liebling hat sich nämlich am Kopf verletzt. In Zanghye ist es passiert: Nach der Besichtigung der großen (hohen) Pagode und des daneben stehenden kleinen Museums sind wir zu Fuß zum nahe gelegenen Tempel mit dem großen liegenden Buddha gepilgert, eine wunderschöne Anlage übrigens. Der Scheff wollte mit dem Bus dieweil ums Viereck fahren (Einbahnstraßen!) und uns dort abholen. Kurz vor dem Ziel hat dann ein dünner – mit bloßem Auge unsichtbarer – Draht der zwischen zwei Alleebäumen über die Straße gespannt war, dem Setra den hinteren Notausstieg wegrasiert. Aber zum Glück haben wir ja Anatoli (Doli genannt, mit weichem badischen T), er hat noch vor der Weiterfahrt zum Hotel alle Teile zusammengesammelt und den inneren Teil mit der Hilfe von Wolfram (unserm zweitenChauffeur) abmontiert. Beim Hotel sind wir dann in einem „partiellen Cabriolet“ vorgefahren. Noch vor dem Nachtessen haben die beiden die Reparatur „in die Hand genommen“, den zahlreich herumstehenden Chinesen sind beinahe die Augen aus dem Kopf gefallen, als Doli, flink wie ein Wiesel, aufs Dach gestiegen ist und dort gearbeitet hat. Die Dichtungsmasse und ein Paar Arbeitshandschuhe waren dann allerdings spurlos verschwunden, als Anatoli wieder vom Dach und Wolfram aus dem Bus stieg. Es waren wohl zuuu attraktive „Werkzeuge“ für einen chinesischen Gaffer. Aber unser Baby war wieder heil und wie neu. Zum Glück, denn gegen Mitternacht fing’s an zu schütten wie aus Kübeln.
Soviel für heute. Morgen zieht die Karawane weiter Richtung Xi’an. Dort soll’s schöne Seide geben und natürlich die weltberühmte Terracotta-Armee. Die Reise ist und bleibt spannend.
Herzlichst
Heidi Bisang